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Naechtliches Schweigen

Naechtliches Schweigen

Titel: Naechtliches Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
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aufwachen?«
    »Das weiß ich nicht. Ich komme immer mehr zu dem Schluss, dass Babys reichlich unberechenbar sind.« Brian bückte sich neben sie. »Wir müssen sehr vorsichtig mit ihm umgehen, Emma. Du siehst ja, wie hilflos er ist.«
    »Ich werde nicht zulassen, dass ihm etwas passiert. Niemals.« Sie legte ihrem Vater die Hand auf die Schulter und beobachtete das schlafende Baby.
    Emma war sich nicht sicher, ob sie Miß Wallingsford mochte oder nicht. Zwar hatte die junge Krankenschwester schöne rote Haare und nette graue Augen, aber sie gestattete Emma fast nie, den kleinen Darren zu berühren. Bev hatte Dutzende von Bewerberinnen geprüft und war mit Alice Wallingsford sehr zufrieden. Die junge Frau war fünfundzwanzig, kam aus gutem Hause, hatte hervorragende Referenzen und ein angenehmes Wesen.
    In den ersten Monaten nach Darrens Geburt fühlte sich Bev dermaßen erschöpft und reizbar, dass Alice unbezahlbar wurde. Wichtiger noch war Bev die Gesellschaft einer anderen Frau, mit der sie sich über solche Dinge wie Zahnen, Stillen und Diäten unterhalten konnte. Sie war entschlossen, ihre schlanke Figur zurückzugewinnen und eine gute Mutter zu sein. Während Brian damit beschäftigt war, mit Johnno zusammen neue Songs zu schreiben oder mit Pete die Aufnahmen zu besprechen, setzte sie ihre Kraft darein, für sie alle das Heim zu schaffen, nach dem sie sich so sehnte.
    Sprach Brian von solchen Dingen wie dem Krieg in Asien oder Rassenunruhen in Amerika, so hörte sie ihm zwar geduldig zu, aber ihre Gedanken kreisten einzig und allein um die Frage, ob die Sonne wohl schon warm genug schiene, damit sie mit Darren an die Luft gehen könnte. Sie brachte sich selbst das Brotbacken bei und übte sich im Stricken, während Brian seine Songs schrieb und gegen Krieg und Bigotterie wetterte.
    Im selben Maße, wie sich ihre Körperfunktionen normalisierten, kehrte auch ihre innere Ruhe zurück. Für Bev begann die harmonischste Phase ihres Lebens: Ihr Sohn war gesund und munter, und ihr Mann behandelte sie im Bett wie eine Königin.
    Darren an der Brust und Emma zu ihren Füßen saß sie in dem Schaukelstuhl am Kinderzimmerfenster. Am Morgen hatte es noch geregnet, aber nun war die Sonne strahlendhell hervorgekommen. Am Nachmittag würde sie mit dem Baby und Emma in den Park gehen können.
    »Ich lege ihn jetzt hin, Emma.« Bev zog ihre Bluse über die Brust. »Er schläft tief und fest.«
    »Kann ich ihn halten, wenn er aufwacht?«
    »Ja, aber nur, wenn ich dabei bin.«
    »Miß Wallingsford erlaubt mir nie, ihn auf den Arm zu nehmen.«
    »Sie ist eben vorsichtig.« Bev strich Darrens Decke glatt und trat zurück. Jetzt war er bereits fünf Monate alt, dachte sie, und schon konnte sie sich ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen. »Laß uns hinuntergehen und einen schönen Kuchen backen. Dein Papa liebt Schokoladenkuchen.«
    Damit musste sie sich wohl zufriedengeben. Emma folgte Bev nach draußen. Alice stand mit frischer Bettwäsche für das Kinderzimmer in der Diele.
    »Er sollte eine Zeitlang schlafen, Alice«, meinte Bev. »Sein Bäuchlein ist voll.«
    »Jawohl, Ma'am.«
    »Emma und ich sind in der Küche.«
    Eine Stunde später, als der Kuchen bereits abkühlte, knallte die Eingangstür. »Papa muss heute früher nach Hause gekommen sein.« Bev fuhr sich automatisch durchs Haar, ehe sie aus der Küche eilte, um ihren Mann zu begrüßen. »Bri, ich hab' noch gar nicht mit dir gerechnet... Was ist los?«
    Er war leichenblass, die Augen rotgerändert und trübe. Als Bev die Hände nach ihm ausstreckte, schüttelte er den Kopf, als wolle er sich von etwas befreien. »Er ist erschossen worden.«
    »Wie?« Ihre Finger schlössen sich fest um die seinen. »Wer? Wer ist erschossen worden?«
    »Kennedy. Robert Kennedy. Er ist tot.«
    »O Gott. O mein Gott.« Unfähig, sich zu rühren, stand Bev da und starrte ihn an. Nur zu gut erinnerte sie sich an die Ermordung des Präsidenten der Vereinigten Staaten, und an die Trauer der fassungslosen Bevölkerung. Und nun sein Bruder, sein hoffnungsvoller jüngerer Bruder.
    »Wir haben für das neue Album geprobt«, begann Brian. »Pete kam herein. Er hatte es im Radio gehört. Keiner von uns wollte es glauben, nicht ehe wir es mit eigenen Ohren gehört hatten. Verdammt noch mal, Bev, vor ein paar Monaten war es King, und jetzt das. Was ist nur mit unserer Welt los?«
    »Mr. McAvoy...« Alice kam die Treppe herunter, ihr Gesicht so weiß wie ihre Schürze. »Ist es wahr? Sind Sie

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