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Naechtliches Schweigen

Naechtliches Schweigen

Titel: Naechtliches Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
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sicher?«
    »Ja. Es klingt wie ein Alptraum, aber es ist wahr.«
    »O nein, die arme Familie.« Alice zerrte an ihrer Schürze. »Die arme Mutter.«
    »Er war ein guter Mann«, stieß Brian hervor. »Er wäre der nächste US-Präsident geworden, und er hätte diesem schrecklichen Krieg ein Ende gesetzt, dessen bin ich sicher.«
    Emma bemerkte verstört die Tränen in den Augen ihres Vaters, doch die Erwachsenen waren zu sehr mit ihrem eigenen Kummer beschäftigt, um von ihr Notiz zu nehmen. Sie kannte niemanden namens Kennedy, doch sein Tod betrübte sie. Ob er ein Freund von Papa gewesen war? Oder ein Soldat in dem Krieg, von dem ihr Vater dauernd sprach?
    »Alice, machen Sie uns bitte Tee«, murmelte Bev, als sie Brian ins Wohnzimmer führte.
    »In was für eine Welt haben wir nur unsere Kinder gesetzt?
    Wie soll das nur enden, Bev? Wann wird das je ein Ende haben?«
    Leise ging Emma nach oben zu Darren und überließ die Erwachsenen ihrem Tee und ihren Tränen.
    Eine Stunde später fanden Brian und Bev sie im Kinderzimmer. Sie summte eines der Wiegenlieder, die Bev oft zur Schlafenszeit gesungen hatte, und wiegte Darren auf dem Schoß.
    Von Panik erfüllt, wollte Bev ins Zimmer stürzen, doch Brian hielt sie zurück. »Nicht doch. Es ist alles in Ordnung, siehst du das denn nicht?« Zuzusehen, wie Emma, das Baby sicher im Arm, versuchte, den viel zu großen Schaukelstuhl mit dem Fuß in Bewegung zu setzen, linderte seinen Schmerz ein wenig.
    Mit einem Lächeln sah Emma hoch. »Er hat geweint, aber jetzt geht es ihm wieder gut. Er hat mich angelächelt.« Sie beugte sich vor und gab dem vor Wonne gurgelnden Baby einen Kuss. »Er liebt mich, nicht wahr, Darren?«
    »Ja, er liebt dich.« Brian kniete sich vor den Schaukelstuhl, und schloss beide fest in die Arme. »Dem Himmel sei Dank für euch alle«, meinte er und streckte die Hand nach Bev aus. »Ohne euch würde ich wahrscheinlich den Verstand verlieren.«

6
    Emma stellte mit Buchstaben bedruckte Klötzchen nebeneinander. Sie war sehr stolz darauf, lesen und buchstabieren zu lernen, und entschlossen, Darren zu unterrichten. »E-M- M-A.« Sie tippte das jeweilige Klötzchen an. »Emma. Sag Emma.«
    »Ma!« Lachend verstreute Darren die Klötzchen. »MaMa.« »Emma.« Doch sie lehnte sich vor und gab ihm einen Kuss. »Das hier ist leichter.« Sie stellte vier Klötzchen auf. »P-A- P-A. Papa.«
    »Papa, Papa, Papa, Papa!« Zufrieden mit sich krabbelte Darren auf seine stämmigen Beinchen und wollte zur Tür flitzen, um nach Brian Ausschau zu halten.
    »Nein, Papa ist noch nicht hier, aber Mami ist in der Küche. Heute abend haben wir eine große Party, weil das neue Album fertig ist. Bald gehen wir wieder nach Hause, nach England.«
    Obwohl sie das Haus in Amerika genauso gerne hatte wie das Schlösschen bei London, freute sie sich auf die Heimreise. Mehr als ein Jahr lang waren sie und ihre Familie mit der gleichen Selbstverständlichkeit zwischen England und Amerika hin- und hergeflogen wie andere Familien durch die Stadt fuhren.
    Im Herbst 1970 war sie sechs Jahre alt geworden, und Bev hatte auf einem Hauslehrer bestanden. Sobald sie sich in England wieder eingelebt hatten, wusste sie, würde sie zur Schule gehen und mit Gleichaltrigen zusammen sein. Die Vorstellung war erschreckend und beglückend zugleich.
    »Wenn wir wieder zu Hause sind, dann lerne ich noch viel mehr und bringe dir alles bei.« Während sie sprach, stapelte sie die Klötzchen zu einem ordentlichen Turm. »Guck mal, das ist dein Name, der beste Name überhaupt. Darren.«
    Mit einem Freudenschrei ließ Darren sich fallen, um die Buchstaben in Augenschein zu nehmen. Er bedachte Emma mit einem schelmischen Lächeln und fuhr mit dem Arm hindurch. Die Klötzchen purzelten durcheinander. »Darren!« kreischte er. »Darren McAvoy!«
    »Das kannst du am besten, was, Kleiner?« In drei Jahren waren Tonfall und Rhythmus von Emmas Stimme der Brians immer ähnlicher geworden. Grinsend begann sie, etwas aufzubauen, was Darren nicht so leicht zerstören konnte.
    Ihr kleiner Bruder mit seinem dicken schwarzen Haar und den lachenden seegrünen Augen war ihr ein und alles. Der Zweijährige hatte das Gesicht eines Engels, jedoch das Temperament eines Teufelchens.
    Sein Gesicht war auf den Titelseiten von Newsweek, Photoplay und Rolling Stone erschienen. Die Weltöffentlichkeit hatte eine innige Beziehung zu Darren McAvoy entwickelt. In seinen Adern floß das Blut irischer Bauern und standhafter, konservativer

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