Naechtliches Schweigen
Tochter!« Mit einiger Mühe erhob er sich. »Emma... Ich dachte, du bist im Bett.«
»Ja.« Ihre Stimme war kaum zu hören. »Ich weiß.«
»Du solltest nicht hier unten sein.« Er ging einen Schritt auf sie zu und nahm ihren Arm. »Du bist ja ganz durchgefroren. Und nass.« Die Droge begann Wirkung zu zeigen. »Wo warst du denn?«
»Ich bin an den Strand gegangen.« Sie wich seinem Blick aus und versuchte, sich loszumachen.
»Alleine? Du bist alleine an den Strand gegangen? Mitten in der Nacht?«
»Jawohl.« Wütend wirbelte sie herum und fletschte die Zähne, als ihr das schwere Parfüm der Französin in die Nase stieg. »Ich bin alleine an den Strand gegangen, und jetzt gehe ich ins Bett.«
»Du solltest es wirklich besser wissen.« Brian packte sie bei den Armen und schüttelte sie kräftig. »Du weißt ganz genau, dass du ohne Leibwächter nirgendwo hingehen sollst. Um Himmels willen, du warst ja schwimmen! Wenn du nun einen Krampf gekriegt hättest?«
»Dann wäre ich ertrunken.«
»Komm, Cherie, laß das Kind ins Bett gehen.« Die Brünette befasste sich wieder mit dem Kokain. »Das hier ist 'ne Party.«
»Du hältst dein verfluchtes Maul!« brüllte Brian. Die Frau zuckte bloß die Achseln und schnaubte verächtlich. »Mach das nie wieder!« befahl Brian seiner Tochter. »Hast du mich verstanden?«
»O ja, ich habe verstanden.« Sie wandte sich ab. »Ich wünschte zwar bei Gott, ich hätte das nicht verstanden, aber ich hab's.«
»Wir sprechen darüber.«
»Über meinen Strandspaziergang oder über die da?« Emma deutete auf die Frau, die noch immer am Tisch kniete.
»Das geht dich nichts an.«
»Nein.« Ihre Lippen verzogen sich, doch die Stimme blieb tonlos. »Nein, da hast du vollkommen recht. Dann gehe ich jetzt ins Bett und überlasse dich deiner Nutte und deinen Drogen.«
Da gab er ihr eine Ohrfeige. Sein Arm fuhr hoch, bevor er bemerkte, was er tat, und ehe er sich versah, klatschte seine Hand mitten in ihr Gesicht und zeichnete sich auf ihrer Wange ab, ein knallroter Beweis der Gewalt, die er doch so verabscheute. Fassungslos sah er auf seine Hand hinab... und sah seinen Vater vor sich.
»Emma...«
Mit einem Satz sprang sie zurück und schüttelte ungläubig den Kopf. Bislang hatte er kaum einmal die Stimme gegen sie erhoben, und nun, wo sie ihn zum ersten mal offen kritisierte, schlug er gleich zu. Sie drehte sich um und stapfte die Treppe hinauf.
Johnno ließ sie vorbei. Er stand, nur mit Boxershorts bekleidet, das Haar wirr, die Augen klein vor Müdigkeit, an der Treppe und sah ihr nach. »Nein, laß mich mit ihr reden«, meinte er, als Brian ihr folgen wollte. Er hielt den Freund am Arm fest. »Sie würde dir jetzt nicht zuhören, Bri. Ich gehe sie trösten.«
Brian nickte. Seine Handfläche brannte von dem Schlag. Er hatte sein Baby geschlagen! »Johnno - ich mach' das wieder gut. Ganz bestimmt!«
»Sicher.« Johnno klopfte ihm kurz auf die Schulter und deutete in den Raum. »Du schaffst besser hier etwas Ordnung.«
Sie konnte nicht einmal weinen. Emma saß, ungeachtet ihrer nassen Kleider, auf der Bettkante. Die Welt, die schöne, heile Welt, die sie um ihren Vater herum aufgebaut hatte, war zerbrochen. Sie war wieder allein.
Als sich die Tür öffnete, schrak sie zusammen, doch dann erkannte sie Johnno und sank auf das Bett zurück. »Mir geht es gut«, fauchte sie ihn an. »Ich brauche niemanden zum Händchenhalten!«
»Okay.« Trotzdem kam er herein und ließ sich neben ihr nieder. »Laß alles ruhig an mir aus.«
»Nein.«
»Glaub mir, das erleichtert. Warum ziehst du die nassen Klamotten nicht aus?« Er legte die Hand vor die Augen und spreizte dann grinsend die Finger. »Ich guck' auch nicht hin.«
Da sie sich irgendwie beschäftigen musste, stand sie auf und suchte in ihrem Schrank nach einem Bademantel. »Du wusstest Bescheid, nicht wahr?«
»Worüber? Dass dein Vater eine Vorliebe für Frauen hat? Natürlich. Ich habe das schon befürchtet, als wir zwölf waren.«
»Ich meine das ernst, Johnno.«
So, sie wollte es ihm also nicht leicht machen. »Okay. Hör zu, Emmylein, ein Mann braucht nun mal Sex. Nur ist das nichts, womit man vor seiner Tochter protzt.«
»Er hat sie bezahlt. Sie ist eine Hure.«
»Was willst du jetzt hören?« In einen weißen Samtmantel gewickelt, stand sie vor ihm und wirkte plötzlich furchtbar jung und verletzlich mit ihrem nassen glatten Haar und den dunklen, enttäuschten Augen. Er nahm ihre Hand zwischen die seinen. »Soll ich
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