Naechtliches Schweigen
glücklich gewesen. Alles war perfekt, absolut perfekt. Tagsüber faulenzte sie in der Sonne, nachts lauschte sie hingerissen, wenn ihr Vater und Johnno musizierten. Sie beschummelte Johnno beim Kartenspiel und lief stundenlang mit ihrem Vater am Strand entlang. Zudem hatte sie jede Menge Filme verknipst und den Kopf voller Erinnerungen.
Wie konnte sie da ans Schlafen denken? Heute war ihre letzte Nacht auf Martinique, die letzte Nacht mit ihrem Vater. Die letzte Nacht der Freiheit. Morgen würde sie wieder im Flugzeug sitzen, und dann wartete die Schule mit all ihren Vorschriften auf sie. Alles, aber auch alles unterlag strikten Regeln: wann man aufstehen und zu Bett gehen musste, wie man sich zu kleiden und was man zu denken hatte.
Seufzend schüttelte sie den Kopf. Bald kommt der Sommer, tröstete sie sich. Sie würde nach London fliegen und Stevie und P. M. treffen. Sie würde ihnen bei den Aufnahmen zuschauen dürfen.
Irgendwie musste sie die kommenden Wochen durchstehen. Ihre Ausbildung und ihre Sicherheit bedeuten Papa so viel. Und er wünschte, dass man sich um sie kümmerte. Nun, letzteres war bei den Nonnen bestimmt gewährleistet, dachte sie böse. Fast den ganzen Tag stand man unter Aufsicht.
Sie konnte das Wasser hören und riechen. In weiser Voraussicht hatte sie sich nur schnell ein Paar Shorts übergestreift. Es war bereits spät, die Leibwächter schliefen wahrscheinlich schon. Um so besser. Sie würde ihre letzte Nacht alleine am Wasser verbringen, sich an den Strand setzen und aufs Wasser schauen, ohne dass jemand sie störte.
Eilig huschte sie durch die Halle der gemieteten kleinen Villa und schlich die Treppe hinunter. Mit angehaltenem Atem schlüpfte sie zur Tür hinaus und rannte los.
Eine Stunde hatte sie sich zugebilligt. Als sie auf Zehenspitzen zum Haus zurücktrippelte, war sie bis auf die Haut nass. Es hatte schließlich doch nicht genügt, nur aufs Wasser zu schauen. Leise betrat sie das Haus und wollte sich unauffällig in ihr Zimmer zurückziehen, als sie die Stimme ihres Vaters hörte. Sofort verbarg sie sich in einer dunklen Ecke.
»Reiß dich zusammen, Schätzchen. Alle anderen schlafen schon.«
Eine Frau kicherte und flüsterte dann mit starkem französischem Akzent: »Ich bin ja schon so still wie ein Mäuschen.«
Brian kam engumschlungen mit einer kleinen, kurvenreichen Brünetten ins Zimmer, die einen Sarong in knalligem Pink und hohe goldene Stilettos trug. »Ich bin ja so froh, dass du heute nacht gekommen bist, Cherie.« Mit beiden Händen fuhr sie seinen Körper entlang und schlang dann die Arme um seinen Hals, um ihren Mund auf den seinen zu pressen.
Verlegen und verwirrt schloss Emma die Augen. Trotzdem hörte sie das wollüstige Stöhnen.
»Mmm. Du hast's aber eilig.« Die Französin arbeitete sich lachend zu Brians Hose vor. »Keine Angst, Cherie, du kriegst was für dein Geld. Aber du hast mir zuerst eine kleine Party versprochen.«
»Richtig.« Das würde helfen, hoffte er. Zwar war ihr Haar auch glatt und dunkel, doch ihre Augen schimmerten braun und nicht grün. Nun, nach ein, zwei Prisen Schnee würde ihm das nichts mehr ausmachen. Er ging zum Tisch, schloss eine kleine Schublade auf und entnahm ihr eine gläserne Phiole. »Partyzeit.«
Die Brünette klatschte in die Hände, ging hüftschwenkend zu dem Kaffeetischchen und kniete nieder.
Entsetzt beobachtete Emma ihren Vater, der mit geübter Bewegung einige feine Linien Kokain auf einen Spiegel schüttete. Sein Kopf näherte sich dem der Brünetten.
»Ah.« Die Französin lehnte sich zurück, ihre Augen funkelten. Mit der Fingerspitze tippte sie auf den Spiegel und verrieb den Staub auf ihrem Zahnfleisch. »Köstlich!«
Brian hakte einen Finger in ihren Sarong und zog sie an sich. Er fühlte sich großartig. Jung, stark, unbesiegbar. Seine Erregung steigerte sich, als er die Frau zu Boden stieß. Das erstemal wollte er sie rasch nehmen. Schließlich hatte er für die ganze Nacht bezahlt.
»Papa!«
Sein Kopf fuhr hoch. Träumte er etwa? Dort, im Dunkeln, stand seine Tochter, das Gesicht leichenblass, die Augen dunkel und tränenfeucht. »Emma?«
»Emma?« Die Französin schnurrte den Namen geradezu. »Wer soll das sein, Emma?« Verärgert, dass Brians Aufmerksamkeit nicht mehr ihr galt, drehte sie sich um. Argwohn glomm in ihren Augen und wurde zu Interesse. »Aha, du stehst also auch auf Kinder. Schön, schön. Komm näher, meine Hübsche. Mach mit.«
»Halt den Mund, verdammt! Das ist meine
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