Naerrisches Prag
wunderschönes Schiffchen schenken oder etwas noch Wertvolleres, meinen Sauf Conduit mit all den Visenstempeln, den runden und viereckigen, den europäischen, mittel- und nordamerikanischen, den zur Ausreise, Durchreise und Einreise ermächtigenden, und will ihn im Magazin deiner Trophäen deponieren, in der Basilika dort oben auf dem kahlen Berg, Madonna.«
Obwohl ich den Reisepaß meines Mannes nicht aus Prag mitgebracht hatte, war ich dennoch entschlossen, der Notre Dame de la Garde einen Besuch abzustatten, um ihr, zwar ein bißchen verspätet, aber nicht weniger aufrichtig, für unsere heile Rückkehr nach Europa zu danken.
»Glauben Sie, daß man dort oben für die Madonna ein kleines Geschenk kaufen kann?« fragte ich meine Regisseurin.
»In einem der Kioske vor der Kirche wird sich bestimmt etwas finden«, meinte sie.
Als wir nach beinahe akrobatischer Fahrt über größere und kleinere Kurven glücklich oben ankamen, fanden wir dort keinen Kiosk und keine Geschenkartikel. Was tun? In der Kirche erstand ich eine Kerze, von denen ein reichliches Angebot vorlag, entzündete sie und befestigte das brennende Stück verläßlich zwischen seinen flackernden Gefährten.
»Es ist etwas anderes, als dir versprochen wurde, Madonna«, gestand ich der Schutzpatronin. »Du mußt schon entschuldigen, aber die Zeiten sind so, daß man auch für die Toten ihre Papiere tunlichst in Ordnung aufbewahren muß. Deshalb konnte ich dir das versprochene Sauf Conduit nicht mitbringen. Wenn ich mich aber jetzt hier bei dir umsehe und die vielen Tafeln mit dankbaren Worten verschiedener Menschen betrachte, die alle deine Hilfe erfahren haben, dann hoffe ich, daß du auch meine bescheidene Kerze in der zweiten Reihe links entgegennehmen wirst als ein, wie schon gesagt, zwar verspätetes, jedoch fest versprochenes und aufrichtiges Dankeswort aus Prag.«
Das wäre der Moment, an dem du dich auch hier zeigen solltest, mein Geist von den drei Tischen, um der Notre Dame de la Garde zu bekräftigen, daß sie meine Worte nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte, selbst wenn sie für sie vielleicht ein bißchen befremdend oder ungewöhnlich klingen. Kannst du ihr bitte erklären, daß wir in Prag ganz gern manches nur andeuten und es dem anderen überlassen, das Gesagte auf seine Weise auszulegen und anzunehmen? Kannst du das der Madonna erklären, denn diese Marseillerin war ja noch nie in unserer Stadt.Nach Hause zurückgekehrt, mußte ich mit einem schnell unterdrückten Seufzer zur Kenntnis nehmen, daß in Prag der Ausblick aus meinen Fenstern kein Meer umfaßt, mir jedoch sehr vertraut ist und allerhand, mitunter auch recht sonderbare Wünsche in mir wachruft.
So bestand in mir seit Jahren der für manchen überraschende, im ganzen aber, so meine ich, begreifliche Wunsch, das Gefängnis, in dem man mich in meiner Heimatstadt in den Jahren 1952–1953 unschuldig festhielt, einmal von innen in Augenschein nehmen zu können. Denn ich wurde mit verbundenen Augen eingeliefert und auch wieder mit verbundenen Augen entlassen. Selbst wenn man mich aus der Zelle zu einem Verhör holte, stets wurde ich mit verbundenen Augen abgeführt. Deshalb wollte ich unbedingt einmal den Korridor sehen, durch den man mich so oft durchschleuste, gleichfalls das Gittertor an seinem Ende oder Anfang, von dem ich nur sein Rasseln kannte. Auch den Aufzug, in den ich hineingeschoben wurde, den eckigen Hof oder was immer sich dort zwischen den Gebäuden befand, in dem ich nur dreimal, draußen sogar mit offenen Augen, ein wenig Luft schnappen durfte.
Selbst der Name der Anstalt, in der man festgehalten wurde, war damals geheim und wurde verschwiegen. Dennoch wußte zweifellos jeder Häftling, daß er im inzwischen zu Recht berüchtigten Gefängnis Ruzyně einsaß. Von außen kenne ich diese Einrichtung schon längere Zeit. Zum erstenmal kam ich auf absurde Weise an ihr vorbei.
Nach meiner Entlassung und einem längeren Aufenthalt in der mir zugewiesenen Provinzstadt konnte ich eines Tages dank der großzügigen Hilfe eines alten Freundesendlich nach Prag zurückkehren. Er nahm mich mit Mann und Kind in seiner Dreizimmerwohnung auf, in der er selbst mit Frau und Kind lebte. Ich war arbeitslos, in der Hauptstadt wollte mich niemand anstellen. Mitte der fünfziger Jahre gab es noch keine Computer, und so erhielt ich in der schwierigen Übergangszeit zum Glück ab und zu wenigstens einen Abschreibeauftrag. Dank des Zutuns eines anderen Jugendfreundes trat nach
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