Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nahe Null: [gangsta Fiction]

Nahe Null: [gangsta Fiction]

Titel: Nahe Null: [gangsta Fiction] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathan Dubowitzki
Vom Netzwerk:
hatte, fischte ich aus dem Chaos eine neue Hypothese und polierte sie auf Hochglanz. Sie besagte, dass der schlafende Untermieter gar kein Untermieter, mehr noch, kein Mensch sei. Er war - ja, so musste es sein - eine Pflanze, die an Humanoidität litt, eine mutierte Kartoffel oder so aus Pawel Petrowitschs Sammlung.
    Um eilends das wacklige Fundament zu festigen, auf dem meine Logik mit Besessenheit emporkletterte, rief ich beschwingt den Pathobotaniker an. Doch Pawel Petrowitsch stoppte meinen Feuereifer rigoros. Wie sich herausstellte, hatte er den unergründlichen Untermieter nie gesehen und ihm das Zimmer auf Empfehlung eines Freundes vermietet. Dieser Freund hatte eine solide Summe im Voraus bezahlt; der Empfohlene konnte also sein, was er wollte, womöglich auch eine Kartoffel - Pawel Petrowitsch hatte nichts gegen ihn einzuwenden. Meine Mitteilung, dass der Untermieter immer schlief, freute Pawel Petrowitsch und hätte seiner Meinung nach doch auch mich freuen müssen. Was den empfehlenden Freund anging, so war der - ganz recht - vor kurzem gestorben. Der Schläfer hat seine Spuren gut verwischt, dachte ich trocken, während es im Hörer bereits tutete.
    Mein Verstand hatte eine Niederlage erlitten. Mein Feldzug gegen das Geheimnis verlangte nach frischen Kräften, und so engagierte ich einen Privatdetektiv.
    Der Detektiv untersuchte den Schlafenden und sein Zimmer, wühlte aus irgendeinem Grund in den persönlichen Sachen meiner Frau und Chopins, stellte mir neunundneunzig Fragen, von denen sich meiner Ansicht nach keine einzige auf den Fall bezog, verlangte Antworten und einen Vorschuss und verschwand.
    Erst gestern kam er wieder. Ich erkannte ihn nicht gleich - er war dicker geworden und hatte sich einen Bart wachsen lassen.
    >Sie haben sich verändert<, sagte ich.
    >Ich bin ein anderer<, antwortete er. >Mein Kollege ist beschäftigt und hat mich beauftragt, Ihnen den Bericht über die Nachforschungen zu bringen.<
    Ich weigerte mich, den Bericht zu lesen, und bat ihn, mich über die Schlussfolgerungen zu informieren.
    >Also.< Der Detektiv zündete sich bedeutungsschwer eine Zigarette an. >Der Schlafende hätte während der Nachforschungen aufwachen können .. .<
    >Entfällt<, sagte ich. >Er schläft.<
    >Das dachten wir uns. Sein Erwachen ist wenig wahrscheinlich<, fuhr der Detektiv ungerührt fort. >Außerdem kann sein Schlaf durch Katalepsie verursacht sein. Wir schließen auch nicht aus, dass der Schlafende ein Krimineller ist, der sich vor der Justiz versteckt, oder ein Paranoiker, der sich verkrochen hat. Schließlich können wir auch eine pathobotanische Erklärung für dieses Phänomen vermuten, schließlich ist der Lehrer, der Ihnen das Zimmer vermietet hat.. .<
    >Und das ist alles ?<, unterbrach ich ihn.
    >Im Rahmen des abgesprochenen Honorars. Es gibt noch eine weitere Hypothese, die ist am interessantesten, doch ihre Bearbeitung verlangt unvorhergesehene Ausgaben .. .<
    >Wie viel?<, fragte ich.
    >Ich erkläre mit hundertprozentiger Sicherheit<, verkündete der Detektiv feierlich, nachdem er das Geld gezählt hatte, >dass der Mann in diesem Zimmer Grundursache und endgültige Folge der vom Verstand erfassbaren Realität ist. Wir alle, dieser hübsche Kaktus, die Stadt, die Ebene, Gott, die Sterne - das alles existiert nur im Traum des Schlafenden. Seinen Schlaf zu unterbrechen hieße die Zeit anhalten und die Welt auflösen. Wir würden verschwinden, sobald er die Augen öffnet. Die Gesellschaft und vor allem Sie haben die Pflicht, weiter in seinem Traum zu bleiben. Um ein verhängnisvolles Erwachen zu verhindern, sind wir bereit, den Schlafenden rund um die Uhr zu bewachen, was natürlich zusätzliche Ausgaben verlangt.. .<
    Ich warf den flotten Feilscher um die globale Sicherheit hinaus und versuche seitdem nicht mehr, eine Erklärung zu finden.
    Natürlich ist es mir schon in den Sinn gekommen wegzuziehen, doch die Beschwerlichkeiten eines möglichen Umzugs lähmen mich, wenn ich nur daran denke.
    Meine Frau aber bleibt von alldem unberührt und bemerkt den Schläfer nach wie vor nicht.
    So bewegen wir uns halblaut und geschmeidig in seinem Umfeld und verletzen nie die Stille, was immer der Zweck seines Schlafes und wer immer er, dieser Dritte, sein mag.«
    Jegor war so in seine Geschichte vertieft, dass er, am Megacenter angekommen, allein aus dem Mercedes stieg, zum Eingang des Einkaufspalastes ging, vom Strom der Konsumenten erfasst wurde, die Krawatten, Kronleuchter, Hemden, Suppenterrinen

Weitere Kostenlose Bücher