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Nahe Null: [gangsta Fiction]

Nahe Null: [gangsta Fiction]

Titel: Nahe Null: [gangsta Fiction] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathan Dubowitzki
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stammelte Jegor ungeschickt. Micky Maus auf dem T-Shirt grinste spöttisch und verzog das Gesicht. »Wir waren doch in der Apotheke, sag's Mama! Alles in Ordnung mit Nastja, Sweta ... Guck, sie ist voller Schokolade ... Ich meine, Hämatogen ... Die Apotheke ...«
    »O Hurendreck! O fuck!«, verkündete plötzlich aus heiterem Himmel und ohne jeden Zusammenhang die liebe Tochter.
    Die Exfrau öffnete den Mund, schwieg gefühlte fünf Minuten und brüllte dann, ohne zuvor den Mund geschlossen zu haben, aus vollem Hals, dass es die ganze Stadt hörte:
    »Wo warst du? Bei deinen Plaksas und Sarahs, ja, und während ihr's getrieben habt, hast du Nastja in die Küche geschickt, ja? Oder unterm Bett versteckt?« Woher weiß sie von ihnen, wunderte sich Jegor. »Wo warst du mit ihr? In welchen Lasterhöhlen? Das hast du ihr beigebracht, du! Oder? Oder hast du das Kind etwa so beschimpft? Du kriegst sie nie wieder! Nie mehr! Komm, weg hier.« Die Mutter zerrte an der Tochter wie an der Märchenrübe und zog sie fort.
    Jegor trottete in die andere Richtung. Neben seinem Auto blieb er stehen und drehte sich um. Die beiden entfernten sich, und Sweta blaffte, ohne sich umzudrehen: »Dreh dich nicht um ...« Jegor sprang geduckt ins Auto, und zum Abschied kratzte, gleich einer Zeitlupenkugel aus Wachowskis Matrix, als eiserner Stachel verspäteter Wut ein unsanftes Wort seiner Frau über die Scheibe: »... Arschloch!«
     

24
    Schon als er vor dem Megacenter weinte, hatte Jegor immer wieder auf die Uhr geschaut, aus Angst, es nicht rechtzeitig ins Kino zu schaffen. Den Fängen der Familie entkommen, wurde er unruhig und dachte an Plaksa. Seine Stimmung hatte sich nicht direkt gebessert, aber gehoben, zwar war sie noch immer in Moll, aber in einer anderen, höheren Tonart. Ihm wurde klar, dass er sie wollte, sie wenigstens sehen wollte, wenigstens auf der Leinwand, auch in schlechter Maske, in einer platten und schlecht gespielten Rolle, wenigstens so ... Er lief nach Hause, um zu essen, sich umzuziehen und die weiße Pfefferminzpaste, das Hämatogen und sich selbst von sich abzuwaschen. Er wusch alles ab; aß beinahe festlich - eine fade exotische Frucht, dazu Champagner; suchte immer neue Anzüge und Krawatten heraus, befühlte und kombinierte sie, roch an Eau de Toilettes und Deos, rieb sich wie Tschitschikow die Wangen mit einer brandneuen, Glanz verleihenden Lotion ein; zweifelte und gefiel sich, zweifelte wieder, gefiel sich wieder, drehte sich vorm Spiegel, ebenfalls wie Tschitschikow, bereitete sich vor wie auf ein Rendezvous, ein richtiges Rendezvous, nicht das erste - aber womöglich das letzte. Er hoffte wohl - vielleicht kommt sie ja doch, ist immerhin die Premiere.
    Die Nummer 2a in der Ordynskaja-Straße erwies sich als ein nicht sehr hohes, aber äußerst umfangreiches Building, dessen Treppe und Foyer in teurem, schwarzem italienischem Stein gehalten waren, der wie Plastik wirkte. An der Tür wurde man von Einlassern begrüßt, die wie Bankiers aussahen und von den Besuchern Karte oder Passierschein verlangten, diejenigen jedoch, die auf Einladung von T. Jewrobejski kamen, ohne weitere Fragen und ohne Passierschein in den dritten Stock geleiteten, zum
Unter uns
. Dort befand sich eine mit weinrotem Samt ausgeschlagene Bar und dahinter ein kleiner Kinosaal. Cocktails und Kir Royal wurden herumgetragen, Kaviar, Fingerfood, Petits Fours und Küsse verteilt; in der Bar drängte sich, einander mit Ohren und Wangen küssend, mit Brillanten übersät, in Pythonleder gehüllt, mit Gold, Platin und teuerster Studiobräune bedeckt, nach Karibik und Aspen-Schnee riechend, die bezaubernd charmante, durch Yoga und Diäten entfettete Creme der Gesellschaft: echte Nobiles und wirklich berühmte Leute waren wenig darunter, aber es genügte schon, dass alle Übrigen einander kannten und untereinander echtes Aufsehen erregten. Nun war zu erkennen, dass sie wirklich »unter sich« waren, Freunde, die sich selten trennten und bestrebt waren, überall gemeinsam aufzutauchen, denn schließlich hörte man hier Meinungen (unvoreingenommene!) über die heutige Matinee im Kindergarten
Georg IV
., wo es die unfähigen Manager nicht geschafft hatten, Johnny Depp zur Unterhaltung der teuren Kinderchen zu engagieren, und das bei diesen Jahresbeiträgen (Sauerei!); die Rolle des Jack Sparrow musste Shenja Mironow übernehmen, aber die Kinder legt man nicht herein, das ist schließlich nicht der vertrottelte Nachwuchs von Lehrern,

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