Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nahe Null: [gangsta Fiction]

Nahe Null: [gangsta Fiction]

Titel: Nahe Null: [gangsta Fiction] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathan Dubowitzki
Vom Netzwerk:
mit der Dunkelheit breitete sich im Zimmer appetitlicher Petroleumgeruch aus. Die selige Stunde der ländlichen Stille brach an, die so rein war, dass die daran nicht gewöhnten Städter nicht einschlafen konnten und ein wenig verrückt wurden.
    Die Stimme stieg an die Oberfläche des Traums und veränderte sich in Dichte und Farbe. Doch als sie aus der Dunkelheit ins Licht heraussprang, war sie fremd, nicht mehr erkennbar. Sie entpuppte sich als ein nach Wurst und Tabak riechender Bass, natürlich nicht von Großmutter, sondern von einem hünenhaften Fernfahrer, der nicht ganz in den Kamas-Laster passte und darum linke Körperhälfte, linke Schulter, linken Arm und linkes Ohr aus dem Fenster hängen ließ. Die rechte Hand hielt das Lenkrad, die rechte Schulter schirmte Jegor gegen die irrsinnig auf die Windschutzscheibe knallende Sonne ab.
    »Da reiten sie, die Partisanen der Vollmondnacht. Mein Platz ist hier. Da reiten sie, die Partisanen der Vollmondnacht. Soll sie doch ...«, sang der Bass, schob als Reaktion auf Jegors Erwachen »hast ausgepennt, sehr schön« ein und sang weiter: »Soll sie doch reiten, wer will.«
    Er hörte auf zu singen, nahm eine Flasche Kwass, auf dem ein Markenemblem prangte, aus dem Handschuhfach, trank einen Schluck und hielt sie Jegor hin.
    »Wo? Wer? Wo bin ich? Wer bist du?«, sagte Jegor ablehnend.
    »Ich bin der wilde Wagenlenker Wassili. Aber wer du bist, weiß der Geier. Zwei dick geschminkte Mädels ham dich in Perm angeschleppt. Auf der Raststätte. Ham gesagt, du hast dich wohl volllaufen lassen und mit Drogen zugedröhnt. Und dich geprügelt. Sie wollten, dass ich dich nach Moskau bring. Ham mir Geld dafür gegeben. Und sich selber. Sie ham gesagt, von wegen, du bist garantiert friedlich, nur eben voll, aber sonst eigentlich friedlich. Na, da hab ich dich Blödmann eben eingesackt, und nu fahrn wir.«
    »Wohin?«
    »Das sag ich doch, nach Moskau, wohin sonst. Die ham mir so viel Kohle gegeben, dafür würd ich dich nach Berlin bringen, wenn du n Pass hättest. Aber wer du bist, möchte ich wissen. Obwohl, bei so viel Kohle isses mir scheißegal. Musste nich sagen.«
    »Jegor.«
    »Ach so, Jegor, sag das doch gleich. Nu is alles klar. Is ja 'n Haufen Information, da hat ein Schwachkopf wie ich den ganzen Tag was zum Nachdenken.«
    »Wieso Perm? Die Stadt Perm? Das Gebietszentrum?«
    »Bei uns gibt's nur ein Perm. Das, wo die Permer Salzohren herkommen. Wo sie leben und krepiern.«
    Im Laster war es heiß wie im Fieberwahn. Jegor wischte sich den Schweiß von der Stirn und stöhnte vor Schmerz. Seine Hand war mit zwei Kilo Verband umwickelt, braun vom durchgesickerten Blut. Erstaunt blickte er auf seine andere Hand - das Gleiche.
    »Was ist mit mir?«
    »Das ham die doch gesagt - du warst voll und hast dich geprügelt. Macht nix, das heilt wieder. Bis Moskau sind's noch fünf Stunden Fahrt, halt durch.«
    Jegor versuchte sich zu erinnern, was passiert war. Er blickte in sein Gedächtnis, doch auch das war wie in Mull gehüllt. Es tat eindeutig weh, verströmte Schmerz, ließ sich aber, von alten, unnützen Gedanken verstellt, nicht greifen.
    Plötzlich huschte draußen etwas vorbei und verschwand gleich wieder hinter dem Laster. Was, hatte Jegor nicht recht erkennen können, doch es überschwemmte sein Herz für einen Augenblick mit Adrenalin - er hatte es nur mit einem lange nicht benutzten und deshalb für abgestorben gehaltenen Teil seiner Seele erfasst. Und es ließ ihn brüllen: »Halt, stopp, halt an, du sollst anhalten ...«
    Wassili zuckte zusammen, zog den Kopf ein, legte die Ohren an, bremste scharf, und erst dann, wieder zu sich gekommen, fuhr er Jegor an:
    »Was brüllste so? Biste noch nich nüchtern, oder was? Wieso soll ich anhalten?«
    »Du hast schon angehalten, hilf mir die Tür aufmachen - meine Hände. Danke.« Jegor sprang auf die Straße. »Ich fahre nicht weiter. Dank dir, Wassili.«
    »Warum fährst du nicht weiter? Die ham gesagt, du musst nach Moskau, du bist Moskauer. Was willste denn ohne Geld und ohne Hände mitten aufm Acker?«
    »Das weiß ich noch nicht. Aber ich muss. Ich weiß nicht, warum, aber es muss sein.« Damit wollte er davonschreiten, weg von Moskau.
    »Warte, du Unglückswurm. Hier haste 'nen Twix. Ach ja, die Hände, ich steck's dir in die Jacke. Und das hier noch, steck ich dir auch rein - das sollte ich dir von den Mädels geben, wenn ich dich in Moskau absetz. Aber nu biste ja nich in Moskau raus, also nimm's jetzt. Is irgend so

Weitere Kostenlose Bücher