Nahe Null: [gangsta Fiction]
Windrose hat sich gedreht.« Nikita Marijewna verspeiste den Rest des Salats.
»Sie wissen ja, ich bin kein Spezialist. Mit mir über Rosen und Kanzerogene zu reden, das ist Perlen vor die Säue. Ich rede von was anderem. Sergeitsch bittet Sie herzlich um einen Artikel, den er als Erwiderung unter seinem Namen veröffentlichen kann. Selbstredend eine glänzende, triumphale Entgegnung. Die Sie der Lüge und Inkompetenz überführt.«
»Lassen Sie mich kosten!«, fragte die Journalistin nicht, sondern verkündete sie, als sie den auf den Rucola folgenden Mozzarella erblickte, den Sascha brachte. Jegor, der trotz seiner recht schmutzigen Arbeit empfindsam und mitunter beinahe krankhaft heikel war, schob, innerlich fluchend, Nikita seinen Teller hin, und sie fuhr freudig fort. »Ein zynischer Vorschlag. Also gut bezahlt. Und für wie viel soll ich mich selber ficken?«
»Zwanzigtausend Dollar oder, wie Patrioten in diesem Fall sagen, fünfhunderttausend Rubel.«
»Das Chemiekombinat gehört dem Mann seiner Nichte. Der Gouverneur, die Nichte und der dazugehörige Ehemann stecken sich jährlich Millionen dieser Dollars in die Tasche. Filteranlagen würden sie nur die Hälfte davon kosten. Aber das Geld ist ihnen zu schade, sollen die Kinder doch krepieren. Und mir bietet er zwanzigtausend, damit ich mich, wie die berühmte Unteroffiziersfrau, selber auspeitsche. Bescheiden und öde«, empörte sich Nikita kalt und vernichtete dabei den Mozzarella.
»Diese Reaktion war vorherzusehen«, meinte Jegor lächelnd. »Sergeitsch hat mich gebeten, Ihnen die Alternative darzulegen. Schließlich ist Wahlfreiheit ein Grundwert der Demokratie.«
»Wenn ich die Wahl habe, mache ich gewöhnlich einen Fehler«, antwortete Nikita Marijewna. »Aber lassen Sie hören, was unser Sergeitsch wirklich will, und den realen Preis dafür.«
»Sergeitsch weiß, dass Sie eine der anerkanntesten Publizistinnen in unserem Land sind. Er möchte, dass nächste Woche in derselben Zeitung ein von Ihnen unterzeichneter Artikel erscheint, der komplett alles widerlegt, was Sie geschrieben haben, und zugleich die Erfolge des Chemiekombinats bei der Produktion von Kunstwolle rühmt und Sergeitsch für die Förderung der Industrie sowie den Schutz der Umwelt und der Gesundheit der Kinder. Apropos, der Mann der Nichte rettet, indem er den Markt mit Kunstwolle überschwemmt, womöglich Millionen Blaufüchsen das Leben. Und Zobeln.«
»Wer sich Zobel leisten kann, trägt doch nicht Ihren plebejischen Kunstpelz.«
»Nicht meinen, sondern den von Sergeitsch.«
»Umso schlimmer. Dieser Filz wird, soweit ich weiß, für Patronenpfropfen und Filzstiefel für Wilderer verwendet.«
»Für Jäger.«
»Alle Jäger in Russland sind Wilderer. Wie stellt sich Ihr Wollkönig das vor? Wie soll ich den Wandel meiner Position erklären?«
»Er meint, Sie seien klug, Ihnen würde schon etwas einfallen. Zum Beispiel neue Umstände, aktuelle Fakten. Oder Sie erklären, der erste Artikel sei gar nicht von Ihnen, sondern irrtümlich unter Ihrem Namen erschienen, was auch die Redaktion mit einer Entschuldigung bestätigen wird, gegen einen Extrapreis ...«
»Scheiß auf den Extrapreis. Wie hoch ist der Grundpreis?«
»Kein wertloses amerikanisches Papier, sondern etwas Solideres - kostbarer Boden an einem gehobenen Ort.«
»Zwei Quadratmeter auf dem Wagankowo-Friedhof ?«
»Nein, Nikita Marijewna, das wäre die dritte Option, falls Sie die zweite ablehnen sollten. Die zweite besteht darin, dass Sie für Ihren Lobgesang auf die Filzindustrie und die weise Herrschaft des bewussten Herrn -« Jegor umklammerte den Teller mit dem inzwischen eingetroffenen marmorierten Fleisch. »Fleisch dürfen Sie nicht, Nikita Marijewna! Die Harnsäure beschert Ihnen die Gicht, das Cholesterin drei Herzinfarkte. Also, Sie bekommen zwei Hektar Boden am Ufer des Cholodnoje-Sees. Ist der Ihnen ein Begriff? Das russische Paradies, Belowodje, Lukomorje, ein Traum ...«
»Das ist doch Naturschutzgebiet.«
»Nicht überall. Ein paar Abschnitte sind kein Naturschutzgebiet, sondern Bauland.« »Im Wasserschutzgebiet?« »Keine Sorge, alles ganz legal. Ehrenwort.« »Ziemlich weit weg.«
»Nächstes Jahr wird eine Straße gebaut. Von Deutschen. Das heißt, bauen werden Ukrainer, aber nach deutscher Technologie.« »Oder Tadshiken nach ukrainischer.«
»Kein Grund zur Ironie, Nikita Marijewna, jedenfalls braucht man dann mit dem Auto von Moskau nur noch eine halbe Stunde. Na ja, mit Ihrem eine,
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