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Nahkampf der Giganten

Nahkampf der Giganten

Titel: Nahkampf der Giganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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noch ein Knabe und für so ein Leben überhaupt nicht geeignet.« Ihre Augen schimmerten im Licht der Sonne so grün wie das Wasser unten. »Diese Reaktion ist für eine Schwester wohl ganz natürlich. Aber als ich ihn reden hörte, wurde mir klar, daß er sich verändert hat. Mein Gott, und wie er sich verändert hat!« Sie blickte ihm voll ins Gesicht. »Er spricht überhaupt nur von Ihnen. Wußten Sie das?«
    Ihm fehlten die Worte. All seine sorgfältig eingeübten Sätze waren ihm entfallen, als sie ins Zimmer kam. Ungeschickt erwiderte er: »Auch das ist ganz natürlich. Als ich so alt war wie er, dachte ich von meinem Kommandanten nicht anders.«
    Sie lächelte zum erstenmal. »Gut, daß wenigstens Sie sich nicht verändert haben, Captain. Manchmal mache ich in der Abendkühle einen Spaziergang auf der Brustwehr und denke dabei an unsere Reise von Gibraltar nach Cozar.« Ihr Blick schweifte in die Ferne.
    »Dann kann ich das Schiff sogar noch riechen und höre den Donner dieser gräßlichen Kanonen.«
    »Und nun bin ich gekommen, um Sie nach St. Clar zu bringen.« Die Worte schienen ihm im Hals steckenbleiben zu wollen. »Doch Sie haben ja wohl erwartet, daß ein Schiff kommen würde?«
    »Ein Schiff, ja.« Sie nickte, und bei der Bewegung ihres Halses und ihres Haares brannte ihm aufs neue das Herz. »Aber nicht Ihr Schiff, Captain.« Sie blickte starr zu ihm empor, die Hände fest verschränkt. »Wurde Ihnen befohlen, mich abzuholen?«
    »Aye. Es war der Wunsch Ihres – Sir Edmunds Wunsch.«
    »Tut mir leid, daß gerade Sie es sein mußten. Ich dachte, wir würden uns nie wiedersehen – wir beide.«
    »Ich weiß.« Er konnte seine Verbitterung nicht länger verbergen.
    »Wahrscheinlich muß ich sogar zusehen, wenn Sie Lady Pomfret werden.«
    Sie trat einen Schritt zurück und errötete unter ihrer Bräune. »Also verachten Sie mich, Captain? Erlaubt Ihr Stolz es Ihnen nie, einen Fehler zu machen oder etwas zu tun, das gegen Ihr Pflichtgefühl geht?« Sie hob die Hand. »Nein, sagen Sie nichts. Ihr Gesicht verrät deutlich, was Sie denken.«
    »Ich könnte Sie nie verachten«, entgegnete Bolitho leise. »Was Sie tun, ist Ihre Sache. Ich bin eben einer von Sir Edmunds Offizieren. Er hätte auch jeden anderen schicken können.«
    Sie strich sich mit der Hand eine lose Locke aus dem Gesicht – eine Geste, an die er sich schmerzhaft deutlich erinnerte. »Lassen Sie mich Ihnen etwas erzählen, Captain. Als meine Mutter während des Aufstandes auf Jamaika starb, stand es schon schlimm genug mit uns. Aber kurz danach kam ein großer Sturm, und viele Schiffe gingen verloren. Darunter die zwei, die meinem Vater gehörten. Die Aufständischen hatten den größten Teil unserer Ernte vernichtet und alle Gebäude zerstört. Mein Vater hätte diese beiden Schiffe dringend gebraucht, um uns und eine letzte Ladung Waren nach England zu bringen, verstehen Sie? Er brauchte sie!«
    Mit wachsender Hilflosigkeit sah Bolitho ihre bittere Verzweiflung. »Ich habe von diesem Sturm gehört.«
    »Er hat meinen Vater ruiniert. Und nach dem Tod meiner Mutter brach er gesundheitlich völlig zusammen. Sir Edmund kam nach Jamaika, um den Aufstand niederzuschlagen. Er hätte es nicht nötig gehabt, uns zu helfen; aber er zögerte keinen Augenblick. Er bezahlte unsere Überfahrt nach England und meines Vaters Schulden.
    Wir konnten es ihm niemals zurückerstatten, weil meines Vaters Geist so krank wurde wie sein Körper.« Sie machte eine hilflose Handbewegung. »Wir durften sogar Sir Edmunds Haus in London bewohnen, als wäre es unser eigenes, und er kam für Ruperts Erziehung auf; er redete ihm sogar zu, auf ein Schiff des Königs zu gehen – auf Ihr Schiff, Captain!«
    »Entschuldigen Sie.« Bolitho hatte das Verlangen, die Hand auszustrecken und sie zu berühren, doch seine Glieder waren wie aus Stein.
    Beschwörend blickte sie in seine Augen. »Schauen Sie mich an, Captain. Ich bin sechsundzwanzig. Da Rupert auf See ist, stehe ich jetzt ganz allein da. Ich weiß, Sir Edmund liebt mich nicht, aber er braucht eine Frau. Das zum wenigsten bin ich ihm schuldig.«
    »Die Jahre verstreichen«, erwiderte Bolitho, »und dann merkt man auf einmal, daß einem etwas entgangen ist…« Er brach ab, denn sie trat einen Schritt auf ihn zu, ein schmerzliches Erschrecken im Gesicht. »Ich sagte es Ihnen ja, Captain, ich bin schon sechsundzwanzig. Das soll aber nicht heißen, daß ich mich dem Erstbesten an den Hals werfen muß. Doch Sir Edmund

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