Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nahkampf der Giganten

Nahkampf der Giganten

Titel: Nahkampf der Giganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
Vom Netzwerk:
Bord?«
    »Nur ein paar Soldaten und einen jungen Fähnrich«, entgegnete Leach müde.
    »Und die Sträflinge?«
    Mit ausdrucksloser Stimme erwiderte Leach: »Was die betrifft, so hatte ich keine Befehle. Die Sträflinge sind noch dort.«
    Bolitho wandte sich ab. Es lag nahe, Leach als einen herzlosen Narren zu verurteilen. Aber es lag noch näher, die Schwierigkeiten und Bedenken zu sehen, mit denen er konfrontiert war. Dash war Flaggkapitän; doch da er keine schriftliche Order besaß, mußte Leach schon jetzt das Kriegsgericht oder Schlimmeres befürchten.
    »Danke, daß Sie offen zu mir sind«, sagte Bolitho ruhig. »Ich segle sofort nach St. Clar zurück.« Nun, da er auf Leachs Vorschlag einging, war er kein bloßer Zuschauer mehr, sondern hatte teil an der Verschwörung. Sein Ton wurde schärfer. »Aber ehe Sie wieder zu mir stoßen, werden Sie nach Cozar zurücksegeln und jeden einzelnen Sträfling von der Insel holen, verstehen Sie?«
    Leach nickte. »Wenn das Ihr Wunsch ist, Sir…«
    »Es ist ein Befehl. Diese Männer haben mit der ganzen Geschichte nichts zu tun, und ich habe ihnen mein Wort gegeben. Ich will nicht noch mehr Leid verursachen.«
    Es klopfte an die Tür, und Herrick meldete: »Entschuldigung, Sir, aber der Wind frischt weiter auf. Er wird bald so stark sein, daß das Boot nicht mehr zur
Harvester
zurück kann.«
    Bolitho nickte. »Captain Leach geht gleich von Bord.« Auf Herricks fragenden Blick fuhr er fort: »Sobald er weg ist, gehen Sie über Stag und nehmen Kurs auf St. Clar. Aber mit jedem Fetzen Tuch, den das Schiff verkraften kann – ist das klar?«
    Herrick eilte davon, und Leach sagte tonlos: »Danke, Sir. Was jetzt auch kommt, ich werde nicht bereuen, daß ich bei Ihnen war.« Bolitho ergriff seine Hand. »Hoffentlich hat keiner von uns es zu bereuen.«
    Sobald das Boot der Fregatte abgelegt hatte, schwangen die schweren Rahen herum, und während das Schiff im starken Wind krängte, schwärmten die Toppgasten hinauf, um sich mit den killenden Segeln herumzuschlagen – mit vorgeneigtem Leib preßten sie sich an die Rahen und krallten sich an die Fußpferde, um nicht aufs Deck oder in die kochende See zu stürzen.
    Herrick wischte sich schwungvoll einen Schuß Sprühwasser aus den Augen und rief zu Bolitho hinüber: »Ist es in St. Clar schlimmer geworden, Sir?«
    Bolitho spürte, wie das Deck unter seinen gespreizten Beinen bockte. Das alte Schiff tat sich schwer bei dem Manöver. Er konnte die Spieren und Planken unter dem verstärkten Druck knarren und quietschen hören; doch als sich mehr und mehr Segel hoch oben mit Wind füllten, bemühte er sich, diese unheimlichen Geräusche, mit denen das Schiff gegen die rauhe Behandlung protestierte, einfach nicht zu hören. »Ich fürchte ja«, beantwortete er Herricks Frage. »Anscheinend wird der Belagerungsring um den Hafen immer enger.«
    Ehe Herrick weiterfragen konnte, schritt Bolitho zur Luvreling hinüber. Es hatte keinen Sinn, ihm zu erklären, daß ein gut Teil von dem, was St. Clar jetzt zu leiden hatte, offenbar aus der Stadt selbst kam. Vielleicht nahm Herrick es ihm übel, daß er so auf Distanz gehalten wurde; aber wenn es zu einer Kriegsgerichtsverhandlung kam, konnte er dann wenigstens nicht als Mitschuldiger gelten.
    Gossett fragte: »Sie wollen doch nicht etwa die Royals setzen, Mr. Herrick?«
    Bolitho fuhr herum. »Aber ich, Mr. Gossett! Sie haben immer den Mund vollgenommen, was das Schiff alles leisten könne. Jetzt beweisen Sie es!«
    Gossett wollte protestieren, sah aber Bo lithos trotzige Schulterhaltung, und da ließ er es lieber.
    »Pfeifen Sie ›Alle Mann‹!« befahl Herrick. »Und der Segelmacher soll kommen, damit jedes Segel, das reißt, gleich ersetzt we rden kann.« Er wandte sich wieder um und schaute besorgt zu Bolitho hinüber, der auf dem schrägen Deck auf und ab ging. Er war bis auf die Haut durchnäßt, und sein verwundeter Arm, der nicht mehr verbunden war und aus dem der Arzt erst kürzlich die Fäden gezogen hatte, streifte beim Gehen gegen die Netze; aber das schien er gar nicht zu bemerken.
    Er trägt für uns alle, dachte Herrick. Immer sorgt er sich, aber helfen lassen will er sich nicht. Er packte die Reling, denn ein langer Brecher hob das Heck und rollte tosend unter den Decksgängen dahin. Die Pumpen klapperten lauter denn je, und als Herrick sich die brennenden Augen wischte, sah er, daß sich die Rahen unter dem Druck der geschwellten Segel bogen, die so hart schienen wie Stahl.

Weitere Kostenlose Bücher