Nahkampf der Giganten
bereits zusammengepreßt wie Heringe in der Tonne hockten.
Während das Boot stetig an den anderen Schiffen vorbeizog, sah Bolitho deren Matrosen auf den Decksgängen oder in den Masten stehen. Stumm und aufmerksam beobachteten sie die Stadt. Vermutlich wußten sie, daß ihre Schiffe unter diesen Umständen völlig hilflos waren. Sie konnten weiter nichts tun als aufpassen und auf den unvermeidbaren Rückzug warten.
Weiter drin im Hafen war eine zweite Sperre gelegt worden, doch nicht, um Schiffe an der Einfahrt zu hindern. Bolitho sah längs der Balken die Wracks mehrerer Fischerboote und anderer kleiner Fahrzeuge, manche bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Die Sperre hatte wohl verhindern sollen, daß sie auf die ankernden Schiffe zutrieben. Ein Brander mußte dieses vollgestopfte Hafenbecken in eine Flammenhölle verwandeln, aus der kein Mensch mehr herauskam.
Stumm pullten die Rudergasten; ihre Blicke flogen umher und entdeckten ein Unheilszeichen nach dem anderen. Am schlimmsten waren die Häuser der Nordseite getroffen. Mehr als eins brannte lichterloh, anscheinend ohne daß jemand löschte. Aufgerissene Dachstühle gähnten den Himmel an. Auch am Landungssteg lagen einige kleinere Wracks, und beim Anlegen bemerkte Bolitho ein bleiches, nach oben gewandtes Gesicht unter der klaren Wasseroberfläche, das mit weit offenen Augen noch in das Land der Lebenden starrte. Kurz befahl er: »Allday, Sie bleiben mit der Mannschaft hier. Ich gehe in die Stadt.« Er hakte den Degen im Gehänge los. »Kann sein, daß es Ärger gibt, also passen Sie gut auf!«
Allday nickte und zog seinen Entersäbel. »Aye, aye, Captain.« Er schnupperte in der Luft wie ein Hund. »Sie brauchen bloß Bescheid zu sagen, dann kommen wir.«
Eilends schritt Bolitho die ansteigende Straße hinauf, die Matrosen der Landeabteilung hielten sich dicht hinter ihm. Es war noch viel schlimmer, als er befürchtet hatte. Geduckte Gestalten hockten wie Tiere in den Ruinen. Aus Angst oder Trotz wollten sie ihre zerstörten Heimstätten wohl nicht verlassen. Im Trümmergeröll, in dem allgemeinen Durcheinander offenbar übersehen, lagen Leichen. Über den prasselnden Flammen hörte er ab und zu das Jaulen eines Artilleriegeschosses, dem jedesmal ein krachender Einschlag folgte.
Keuchend und schweißüberströmt rannte Inch neben ihm. »Hört sich nach schwerem Kaliber an, Sir. Die Franzosen müssen schon in den südlichen Bergen sitzen, daß sie bis hier hereinschießen können.« Er zuckte zusammen, als es krachend in ein nahes Haus einschlug und eine Lawine von Staub und zerbrochenen Ziegeln herunterprasselte.
An der Ecke des Marktplatzes sah Bolitho ein kleines Detachement pulvergeschwärzter Marine -Infanteristen. Sie lagerten um ein Feuer und starrten wortlos auf einen mächtigen schwarzen Topf darüber. Überrascht sah er, daß es Männer von der
Hyperion
waren. Auch sie wandten sich nach ihm um; ein riesiger Sergeant sprang auf und nahm Haltung an, den dampfenden Napf noch in der Hand.
Bolitho nickte grüßend. »Sergeant Best, freut mich, daß ihr es euch gemütlich macht.«
Der Seesoldat grinste über das ganze schmutzige Gesicht. »Aye, Sir. Hauptmann Ashby hat unsere Leute rings um das Hauptquartier verteilt.« Er deutete zum Haus hinüber. »Die Artillerie versucht immer wieder, ‘ne Breitseite draufzusetzen, aber die Kirche ist im Wege.« Er verstummte, denn eine Kugel schlug in die Kirchturmspitze und riß den blinkenden Wetterhahn ab, der wie ein Vogelbalg auf den Platz fiel. »Besser gezielt diesmal«, bemerkte er mit der Sachlichkeit des Berufssoldaten.
Wütend schritt Bolitho zum Tor. Hinter der Mauer waren noch mehr Seesoldaten. Einige schliefen neben den zusammengesetzten Musketen, andere standen herum oder hockten auf den Treppenstufen. Ihre Gesichter waren von Müdigkeit und Anstrengung gezeichnet. Doch als Bolitho näher kam, kommandierte ein Korporal heiser:
»Hyperion,
Ach… tung!« Wie aus einer Art Betäubung erwacht, taumelten sie hoch, rissen sich zusammen und nahmen Haltung an. Und auf den trübseligen Gesichtern erschien tatsächlich eine Art Freudenschimmer, als sie ihren Kommandanten erkannten. Einer rief: »Fein, daß Sie wieder da sind, Sir! Wann kommen wir hier weg?«
Eilig schritt Bolitho zur Tür. »Ich dachte, euch geht’s hier zu gut, da bin ich lieber gekommen, damit ihr wieder vernünftig zu tun kriegt!«
Es war erschütternd, daß sie über diese dumme Bemerkung lachten.
Sie vertrauten ihm; sein
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