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Nahkampf der Giganten

Nahkampf der Giganten

Titel: Nahkampf der Giganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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ich sagen…«
    Er verstummte, denn Bolitho schob ihn zur Seite und eilte aufs Achterdeck. Herrick starrte ihn erschrocken an, aber er kümmerte sich nicht darum. Er riß einem verstörten Midshipman das Teleskop aus der Hand und enterte ein Stück in die Besanwanten auf. Sein Herz trommelte gegen die Rippen, als er weit voraus den Geleitzug erblickte, dicht unter der Kimm, beinahe schon außer Sicht. In einer Woche etwa würde er Gibraltar erreichen, dann würde die menschliche Fracht sich für immer in alle Winde zerstreuen.
    Unsicheren Fußes enterte er wieder ab, blieb an Deck stehen und sah lange auf den Ring nieder. Grauhaarig und ein Gentleman, hatte Inch gesagt. Aber er war schon angegraut gewesen, als sie einander das letzte Mal gesehen hatten. Vor zehn, nein, vor elf Jahren. Und in all diesen letzten Monaten hatte dieser Mann, nur ein Sträfling unter vielen, ihn beobachtet, während er, Bolitho, keine Ahnung gehabt, während er geglaubt hatte, sein Bruder sei lange tot.
    Doch hätte er es gewußt – was hätte er tun können? Hugh war also wie die anderen wegen irgendeines kleinen Vergehens auf dem Weg nach Neu-Holland, unter falschem Namen selbstverständlich. Nur ein Zeichen des Erkennens, und er mußte belangt werden als das, was er wirklich war: ein Deserteur der Königlichen Marine, ein amerikanischer Hochverräter. Und Bolithos eigenes Leben wäre ruiniert gewesen, hätte er auch nur einen Finger für Hugh gerührt.
    Also hatte Hugh gewartet, war bis zum letztmöglichen Augenblick im Verborgenen geblieben und hatte ihm seine heimliche Botschaft erst gesandt, als kein persönliches Zusammentreffen mehr möglich war. Dieser Ring, den sie beide kannten, mußte Richard Bolitho mehr sagen als alle Worte.
    Herrick trat herzu und musterte den Ring interessiert. »Ein schönes Stück, Sir.«
    Bolithos Blick schien durch Herrick hindurchzugehen. »Er hat meiner Mutter gehört.« Ohne ein weiteres Wort ging er wieder unter Deck in seine Kajüte.

Die Franzosen sind durch!
    Als acht Glasen angeschlagen wurden und den Beginn der Vormittagswache verkündeten, kam Bolitho unter der Kampanje hervor und nahm seinen gewohnten Platz an der Luvseite des Achterdecks ein. Der Himmel war voll niedriger, rasch ziehender Wolken, der halbe Wind von Steuerbord ließ heftigen Regen erwarten.
    Bolitho rückte die Schultern in seinem schweren Mantel zurecht und musterte eingehend die
Tenacious.
Zur Nacht hatte sie Segel gekürzt, um nicht den langsameren Schiffen davonzulaufen; nun lag sie ein paar Meilen an Steuerbord achteraus. Der Horizont war ganz verhangen, und gegen die trüben Wolken und die bleigraue See schimmerte der mächtige Dreidecker in beinahe unirdischem Licht.
    Bolitho faßte in die Netze und wandte den Kopf wieder in den Wind. Da lag die Insel Cozar etwa sechs Meilen entfernt, die scharfen Umrisse ihrer Felsen von Wolken und Dunst verhüllt. Während er mißgelaunt in seinem Frühstück herumstocherte, hatte er sich vorgestellt, wie es dort wohl aussehen mochte, hatte über die Hoffnungen und Torheiten nachgedacht, für die ihm der Name dieser Insel inzwischen Symbol geworden war.
    In den drei Tagen, seit sie die rauchenden Ruinen von St. Clar hinter sich gelassen hatten, war er immer wieder in Gedanken den Ablauf dieses kurzen Feldzuges durchgegangen; hatte versucht, die Operation mit unparteiischen Augen zu sehen, die Tatsachen so aneinanderzureihen, wie es ein Historiker tun würde. Unverwandt starrte er auf die buckelige Umrißlinie der Insel und biß sich auf die Lippen. Hundertmal war sie im Lauf ihrer Geschichte besetzt, verloren, wieder okkupiert worden. Nun lag sie aufgegeben da und wartete auf den Nächsten, der sich ihrer bemächtigen wollte. Zur Zeit war Cozar menschenleer und wüst; nur die vielen Toten bewachten diese dürre Hinterlassenschaft.
    Herrick war zu ihm an die Finknetze getreten. »Ob wir sie jemals wiedersehen werden, Sir?«
    Bolitho blieb stumm. Er beobachtete die hart unter Land segelnde
Chanticleer,
deren Takelage sich wie eine Radierung von den düsteren Klippen abhob. Vermutlich dachte Bellamy dort drüben jetzt an seine Mitwirkung bei der Einnahme von Cozar. Die erregende Kühnheit, ja Unverschämtheit der Operation mochte ihm nun wie ein Spaß erscheinen. Aber Herrick hatte irgend etwas gesagt… »Wollten Sie etwas Dienstliches?« fragte Bolitho.
    Herricks Miene entspannte sich. »Nun ja, Sir, eigentlich…«
    »Na dann schießen Sie los, Thomas.« Bolitho wandte sich von der

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