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Nahkampf der Giganten

Nahkampf der Giganten

Titel: Nahkampf der Giganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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standzuhalten. Dies war beinahe das Scheußlichste an dieser scheußlichen Geschichte, dachte er. Denn kurz vor Sonnenaufgang, als die erschöpften Truppen sich aus ihren Stellungen zurückzogen, hatten Lieutenant Inch und eine Abteilung Matrosen nach seinen Anordnungen die letzte Nachhutstellung vorbereitet. Doch wenn die Franzosen nun bald das Feuer einstellen und in die Stadt stürmen würden, konnten diese Soldaten weder zurückschießen noch ihre Waffen wegwerfen und sich ergeben; denn sie waren schon tot. Aus dem Feldlazarett und von den Erdschanzen hatten Matrosen die Gefallenen, die nicht mehr dagegen protestieren konnten, zusammengetragen und sie mit ihren Musketen zu einer stillen Feuerlinie aufgebaut. Sogar eine Fahne wehte über ihren blicklosen Gesichtern, als letzter, grimmiger Hohn.
    Bolitho riß sich aus seinen trüben Gedanken. Tote spürten keine Schmerzen mehr, die Lebenden mußten gerettet werden.
    »Los, Ashby«, befahl er. »Lunten an!«
    Er hörte Trompetenklang und eine Welle von Hurras – die ersten französischen Soldaten stürmten von der Küstenstraße in die Stadt. Die Seesoldaten zogen sich in kleinen Gruppen auf die zerschossene Pier zurück, die aufgepflanzten Bajonette noch auf die dunklen Gassen gerichtet.
    Von den Bürgern, die in St. Clar bleiben wollten, war nichts zu sehen. Sie waren untergetaucht. Nach der ersten Welle der Wut und des Blutvergießens würden sie hervorkommen und Frieden mit ihren Landsleuten machen. Sie würden Freunde, ja sogar Verwandte denunzieren, um ihre Treue zur Revolution zu beweisen. Das wird eine strenge und langwierige Abrechnung, dachte Bolitho.
    Eben jetzt mußten die Franzosen auf die toten letzten Verteidiger starren und überlegen, was dieser Versuch, ihren endgültigen Sieg zu verzögern, wohl bedeutete.
    In diesem Moment hatte die erste Lunte den Zünder erreicht, und die ganze Stadt schien unter der Wucht der Explosion zu schwanken.
    »Das ist das Hauptmagazin, Sir«, sagte Ashby heiser. »Da we rden noch ein paar von diesen Bastarden draufgegangen sein.« Er schwenkte den Degen. »In die Boote!«
    Unter dem Krachen einer zweiten mächtigen Explosion eilten die Seesoldaten in die Boote und folgten denen, die bereits den Fluß hinunterruderten. Ein paar französische Scharfschützen mußten in die Häuser am Hafen eingedrungen sein, denn die abziehenden Boote wurden beschossen, und kleine fedrige Wasserfontänen stiegen längsseit hoch.
    Bolitho blickte seinem Leutnant entgegen, der mit bloßem Kopf, eine rauchende Lunte in der Hand, über den Platz gerannt kam.
    »Alles klar, Shanks?«
    »Die letzte Ladung ist gezündet, Sir.« Shanks verzog das Gesicht, denn eben riß eine mächtige Detonation ein ganzes Haus am Anfang einer engen Gasse nieder, und die Schockwelle schleuderte ihn beinahe ins Wasser.
    Die Barkasse hatte an der Pier festgemacht; als gerade die letzten Seesoldaten hineinkletterten, schrie Allday: »Da kommt französische Kavallerie, Captain!«
    Es waren etwa ein Dutzend Reiter. Sie brachen aus einer Seitengasse hervor, und als sie die Barkasse gewahrten, kamen sie im gestreckten Galopp durch den Rauch der letzten Explosion. Bolitho warf einen raschen Blick umher und sprang dann an Bord.
    Als das Boot ablegte, richtete ein Matrose geduckt die Drehbasse aus, trat beiseite und zog die Abzugsleine. Das Boot schwankte im Rückstoß nach dem letzten Schuß dieses Feldzuges.
    Bolitho klammerte sich ans Dollbord, als die Pinne das Boot herumriß, bis die abgedeckten Häuser die blutigen Überreste von Pferden und Reitern, welche die doppelte Ladung Schrapnell niedergemäht hatte, den Blicken entzogen.
    Aus und vorbei. Bolitho fragte sich, was aus Oberst Cobban geworden sein mochte; aber er konnte beim besten Willen kein Mitgefühl für ihn aufbringen. In der Nacht, als er in Pomfrets leerem Arbeitszimmer eingeschlafen war, hatte ihm eine atemlose Ordonnanz gemeldet, daß Cobban unter Parlamentärflagge zu dem französischen Kommandeur gegangen sei. »Um einen ehrenvollen Frieden auszuhandeln«, wie er sich ausgedrückt hatte. Jetzt in der grimmigen Wirklichkeit des hellen Tages würden die Franzosen Cobbans kläglichen Versuch, sein eigenes Fell zu retten, nur als Verzögerungsmanöver zur Deckung des britischen Rückzugs ansehen. Groteske Vorstellung, daß man Cobban in England vielleicht gerade dieser Haltung wegen als einen aufopfernden, mutigen Offizier im Gedächtnis behalten würde.
    Die Boote waren jetzt im tieferen Wasser der

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