Nahkampf der Giganten
andere Wahl, als uns zu unterstützen!« Der Gedanke schien ihm Spaß zu machen.
Pomfret nickte. »Nun, Bolitho, ich wünsche, daß Sie Ihr Schiff unverzüglich wieder seeklar machen.«
»Die Reparaturen sind in vollem Gang, Sir. In den vier Tagen nach dem Gefecht haben wir alle Schäden an der Takelage beseitigt, und auch die meisten Innenreparaturen sind schon fertig.«
Da Pomfret die Seekarte studierte, bemerkte er nicht, wie sich Bolithos Miene plötzlich verändert hatte. Vier Tage. Obwohl er sich die ganze Zeit bemüht hatte, nicht daran zu denken, fiel ihm jetzt alles wieder ein. Er hatte gehofft, die sichere Rückkehr mit den Transportschiffen und die Anstrengung, sein Schiff wieder seeklar zu machen, würden die Erinnerung an diese vier Tage zurückdrängen, bis sie durch Zeit und Entfernung so undeutlich wurde, daß sie nicht mehr schmerzte. Aber ganz ohne sein Zutun hatte er auf einmal wieder das Gesicht Cheneys vor Augen, wie sie ihm zugehört hatte, als er ihr von seinem Schiff erzählte, während sie auf dem Achterdeck gemeinsam den Matrosen und Zimmerleuten zusahen, welche die Narben der Schlacht beseitigten.
Am zweiten Abend, kurz vor Sonnenuntergang, war Bolitho mit ihr über den Luvdecksgang geschritten und hatte ihr das komplizierte Labyrinth des Riggs erläutert, die Sehnenstränge, welche die Kraft des Schiffes weiterleiteten. Da hatte sie leise gesagt: »Danke, daß Sie mir das erklärt haben. Damit haben Sie mir das Schiff lebendig gemacht.«
Cheney hatte das alles weder langweilig noch komisch gefunden. Es hatte sie wirklich interessiert, auch wenn seine Art zu sprechen nur deshalb so eindringlich war, weil Schiffe das einzige waren, wovon er etwas verstand, das einzige Leben, das er kannte.
In diesem Moment war ihm klargeworden, daß sie unabsichtlich die Wahrheit getroffen hatte. »Ich freue mich, daß Sie es so sehen«, hatte er geantwortet und dann auf die dunklen Geschütze im Schatten der Decksgänge gedeutet. »Die Leute an Land sehen so ein Schiff weit draußen vorbeisegeln, denken aber selten an die Menschen, die darin leben und sterben.« Dabei hatte er auf das leere Vorschiff gestarrt und sich all jene vorgestellt, die vor ihm auf diesem Schiff gewesen waren und nach ihm kommen würden. Seine Hände umklammerten die Reling. »Sie haben ganz recht – ein Schiff besteht nicht bloß aus Holz.«
An einem anderen Abend hatten sie miteinander in der Kajüte gespeist, und wieder hatte sie ihn zum Erzählen gebracht – von seinem Zuhause in Cornwall, seinen Reisen, den Schiffen, auf denen er gedient hatte.
Während die Seemeilen unter dem Kiel der
Hyperion
wegglitten, schienen sie beide zu empfinden, daß aus diesem seltsamen Gefühl von Kameradschaft und Verständnis etwas anderes erwuchs. Sie sprachen nicht davon; doch während der letzten beiden Tagen mieden sie einander und kamen nur noch in Gesellschaft anderer zusammen. Kaum war der Anker klatschend gefallen, kam auch schon ein Boot längsseits: Lieutenant Fanshawe, Pomfrets Adjutant, holte Cheney ab.
Sie war in demselben grünen Kleid aufs Achterdeck gekommen, das sie getragen hatte, als er sie zum erstenmal sah, und hatte zu der düsteren Festung auf den kahlen Bergen hinübergestarrt. Bolitho merkte, daß viele Matrosen auf den Decksgängen oder in den Wanten standen, und er spürte die Traurigkeit, die über dem Schiff hing. Sogar die Deckoffiziere konnten oder mochten die Leute nicht an die Arbeit zurücktreiben und sahen ebenfalls zu, wie das Mädchen tapfer den versammelten Offizieren die Hände schüttelte und seinen Bruder auf die Wange küßte. Bolitho selbst hatte sich Mühe gegeben, in möglichst formellem Ton zu sprechen. »Wir alle werden Sie vermissen.« Gossett hatte heftig dazu genickt. »Es tut mir leid, daß Sie so viel durchmachen mußten…« Und dann wußte er nicht we iter.
Sie hatte ihn mit einer gewissen Bestürzung angesehen, als würde ihr erst jetzt, angesichts der Insel, klar, daß die Reise unwiderruflich zu Ende ging. Dann hatte sie gesagt: »Ich danke Ihnen, Captain. Ich hatte es sehr gut an Bord.« Und hatte ringsum in die stummen Gesichter geblickt. »Es waren Tage, die ich nie vergessen werde.«
Bolitho fuhr zusammen, denn auf einmal hörte er wieder Pomfrets Stimme. »… und ich nehme an, Sie werden Ihre Verluste mit den Überlebenden der
Snipe
ersetzen oder auch auf den Transportern geeignete Leute finden.«
»Jawohl, Sir.« Mühsam konzentrierte er sich auf die vielen Ei nzelheiten,
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