Nahkampf der Giganten
denn der junge Franzose kam an Deck. Er ging mühsam, Allday hatte ihm den Arm um die Schultern gelegt. Für Charlois war alles vorbei.
Verbittert sagte Bolitho: »Das war ein tapferer Mann, Thomas. Ich habe kein Mitleid mit einem, der sein Leben aus Ehrgeiz einbüßt. Aber ein Mann, der für eine gute Sache stirbt, mag der Erfolg auch noch so ungewiß sein, darf nicht vergessen werden!« Er verschränkte die Hände auf dem Rücken und starrte zum dunklen Himmel auf. »Fallen Sie jetzt zwei Strich nach Backbord ab, und setzen Sie einen neuen Kurs auf die südliche Landzunge ab. Dort sind wir geschützter, und bei dieser schlechten Sicht wird man uns nicht bemerken.« Herrick erwiderte: »Das ist gegen den Befehl des Admirals, Sir.« Sekundenlang blickte Bolitho ihn wie abwesend an. Dann antwortete er gepreßt: »Ich gehe ein bißchen auf und ab, Thomas. Stören Sie mich erst, wenn wir eine Meile vor Land sind.«
Regen und Spritzwasser peitschten übers Deck, als die
Hyperion
sich näher an das im Dunkel liegende Land herankämpfte. Ruhelos marschierte Bolitho in Luv auf und ab, Kinn in der Halsbinde, Hände auf dem Rücken verkrampft. Er war barhäuptig, doch schienen ihm Wind und Wasser nichts auszumachen. Er war mit seinen Gedanken beschäftigt.
In der Offiziersmesse der
Hyperion
war es feucht und stickig; die schaukelnden Laternen hüllte der Rauch mehrerer Pfeifen ein. Stumm lauschten die Offiziere der ruhigen Stimme ihres Kommandanten. Vor den abgedichteten Heckfenstern schien das Tosen der See schwächer geworden zu sein; jedenfalls waren die Schiffsbewegungen jetzt, da man der Bucht näher und durch die Landzunge vor dem Wind etwas geschützt war, nicht mehr so heftig.
Bolitho stützte sich auf die entrollte Seekarte und blickte in die gespannten Gesichter ringsum. Die Mienen waren so verschieden wie die Männer selbst: einige offensichtlich nervös, andere nur aufgeregt, ohne sich viel dabei zu denken. Manche, darunter Herrick, waren offensichtlich enttäuscht, weil sie an der eigentlichen Aktion erst in der Schlußphase beteiligt sein würden.
Gemessen sagte Bolitho: »Das ist ein Unternehmen für Boote, meine Herren. So muß es auch sein, wenn wir die Chance zur Überraschung haben sollen.« Er blickte auf die Karte, achtete aber nicht auf die gekritzelten Details, sondern prüfte nur sorgfältig, ob er etwas vergessen oder, was noch schlimmer gewesen wäre, nicht ganz genau und vollständig erklärt hatte. Er sprach jetzt rasch. »Wir nehmen die Barkasse, beide Kutter, die Gig und die Jolle. Gesamtstärke: neunzig Offiziere und Matrosen. Bewaffnung: Entermesser und Pistolen, aber letztere nur für die Älteren. Ich will nicht, daß ein Übereifriger vorzeitig losknallt und alles verrät!«
Heiser fragte Gossett: »Sie sagen, am Nordarm der Bucht ist ein Leuchtfeuer, Sir?« Er beugte sich vor und tippte mit der langen Pfeife auf die Karte. »Hier steht, daß es seit der Kriegserklärung nicht mehr brennt.«
»Ganz recht.« Vor unterdrückter Erregung zitterten Bolitho die Knie. »Das wissen wir, denn wir sahen schon kein Feuer, als wir das erstemal hier waren. Die Franzosen denken vermutlich, daß niemand dumm genug ist, bei Nacht und ohne Leuchtfeuer in die Bucht zu segeln. Aber natürlich trifft das auf uns nicht zu.«
Einige lächelten, und er wunderte sich, daß eine so oberflächliche Bemerkung anderes als Bedenken und Zweifel auslöste. Der ganze Plan war schon in seinem Anfangsstadium geplatzt, wenn sie von einem Wachtposten oder Patrouillenboot gesichtet wurden. Rasch sprach er weiter, um die Vorstellung zu verdrängen, daß seine jungen eifrigen Offiziere vielleicht in Kürze tot oder verwundet unter diesem feindlichen Himmel lagen. »Mr. Herrick, Sie wissen, was zu tun ist: Sie kreuzen vor der Einfahrt und warten auf das Feuer der Leuchtboje. Das ist das Signal für Sie, in den Hafen einzulaufen.« Über die Köpfe der anderen blickte er in Herricks Augen und sprach nur für ihn weiter. »Erscheint das Feuer nicht, versuchen Sie unter keinen Umständen, die Einfahrt zu erzwingen. Dann werden Sie das Geschwader suchen und sich bemühen, Sir Edmund zu überreden, daß er der Küste fern bleibt.« Nun sah er wieder in die anderen Gesichter. »Denn wenn alles dunkel bleibt, meine Herren, haben wir es nicht geschafft.«
»Und dann, Sir«, warf Rooke ein, »ist der Teufel los.«
Bolitho lächelte gelassen. »Und wenn wir Erfolg haben, vielleicht auch.« Er richtete sich auf. »Noch
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