Naked - Hemmungslose Spiele (German Edition)
alles war einfach … surreal. Die Nacht, das Gespräch. Der Mann vor mir, der wieder seine Zigarette zwischen die Lippen steckte und sie im Mundwinkel baumeln ließ.
„Ich hatte kein passendes Kleid. Aber das ist nicht der wahre Grund, warum ich nicht hingegangen bin.“
Alex sah mich an. Er lächelte leise, während ich sinnlos vor mich hinplapperte.
„Na los! Frag mich schon, warum ich einen Abend im Hotel Hershey ausgeschlagen habe, um lieber hierherzukommen.“
„Oh, aber das weiß ich doch“, sagte Alex.
Meine Schultern sackten nach unten. Ich blinzelte. Meine Augen waren wund und geschwollen. „Du weißt es?“
„Du liebst ihn.“
Wenn es irgendwas gab, das mich in dieser Nacht hätte zum Weinen bringen sollen, dann diese drei Worte, die aus seinem Mund so sachlich klangen. Aber ich war wohl zu diesem Zeitpunkt einfach schon leer geweint. Dehydriert. Vor Kälte erstarrt. Daher konnte ich nur mit dem Kopf schütteln und seufzen. Mein Atem stieg in einer langen Wolke vor mir auf.
Vom Ende der Straße erklangen die ersten Böllerschüsse. Eine Kirchenglocke begann zu läuten. Nun stiegen mir doch wieder Tränen in die Augen, und ich konnte kaum atmen, so eng wurde mir die Kehle.
„Verflixt“, murmelte ich. „Es ist Mitternacht.“
„Frohes neues Jahr“, wünschte Alex.
Dann warf er die Zigarette beiseite, zog mich in seine Arme und küsste mich.
6. KAPITEL
Sein Mund presste sich etwa fünf Sekunden warm und weich auf meinen, ehe ich reagieren konnte. Und da hatte er sich schon von mir gelöst und flüsterte, seine Lippen ganz dicht an meinen: „Ich habe keine Schokolade, tut mir leid.“
Ich machte einen Schritt zurück und legte eine Hand auf meinen Mund. Ich lächelte. „Ist schon in Ordnung. Du hättest das nicht tun müssen.“
Er bedachte mich mit einem prüfenden Blick. „Warum glaubst du, ich hätte das nicht tun wollen ?“
‚Alex steht nicht auf Frauen‘, hatte Patrick gesagt.
„Jedenfalls danke“, sagte ich. „Tut mir leid, dass ich dir was vorgeheult habe und dich mit meinem Gebrabbel belästigt habe. Wieder mal. Ist jedenfalls nicht die schönste Art, ins neue Jahr zu starten.“
Er legte die Hand auf seinen Bauch und machte einen kleinen albernen Diener. „Es war mir ein Vergnügen. Wirklich. Mich als edler Ritter aufzuspielen rettet mir immer wieder den Übergang ins neue Jahr. Es ist sogar mein verdammter Vorsatz.“
Ich hätte ja gedacht, dass mir das Lachen erst mal bis auf Weiteres vergangen war. Aber jetzt musste ich doch lachen. Laut. Es tat in meinem Hals weh, aber es fühlte sich trotzdem gut an. „Du solltest wieder reingehen, Alex. Abgesehen davon, dass du hier draußen erfrierst, willst du doch sicher die Party nicht verpassen.“
Er schaute über die Schulter quer über den Hof zum Haus. „Ach ja, die Party. Ich glaube, ich fahre lieber nach Hause.“
Ich nickte. „Okay.“
„Kannst du noch fahren?“ Er kam etwas näher und legte die Hand auf meine Schulter.
„Ich habe fast nichts getrunken. Mir geht’s gut.“
Seine Finger drückten sanft meine Schulter. „Bist du sicher? Ich kann dich sonst heimfahren.“
„Nein, wirklich. Mir geht’s gut.“ Ich zitterte und biss die Zähne zusammen, damit sie nicht laut klapperten. „Ich werde auch gehen. Ich bin zum Eiszapfen gefroren.“
Er lachte und ließ mich los. „Das zum Thema globale Erwärmung, hm? Man könnte bei diesem Wetter glauben, dass es gar keine gibt. Fahr vorsichtig, Olivia.“
„Das werde ich. Und, Alex“, sagte ich, als er sich zum Bürgersteig umdrehte. Er schaute zurück. „Noch mal danke. Und frohes neues Jahr.“
Er tippte sich an einen imaginären Hut. „Ich hab ja schon gesagt, es war mir eine Ehre.“
Er war bereits um die Hausecke verschwunden, als ich meine Füße endlich bewegen konnte. Ich wollte nur noch mal kurz ins Haus, meine Sachen holen, und dann heimfahren. Nicht mehr zu dicht neben Patricks Bruder sitzen. Mich nicht mehr nach dem sehnen, was hätte sein können und nie war.
„Wo warst du?“ Patrick stellte mich in dem Moment, als ich durch die Hintertür ins Haus kam. „Es ist nach Mitternacht. Du hast das Anstoßen verpasst.“
„Ich brauchte frische Luft.“
„Was treibst du eigentlich genau?“ Patrick schloss die Augen und wandte sich von mir ab, die Hand abwehrend erhoben. „Nein, sag’s mir nicht. Ich hab dich gesehen.“
Er fühlte sich betrogen, das konnte ich ihm vom Gesicht ablesen. „Was hast du gesehen?“
„Mit ihm.“
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