Naked - Hemmungslose Spiele (German Edition)
arbeiten wir mit Digitalfotografie. Filme sind inzwischen völlig altmodisch und beinahe überflüssig. Nur Hobbyfotografen benutzen sie noch. Die Kunden kommen mit uns in den kleinen Raum, schauen sich die Fotos auf einem großen Monitor an und suchen dort direkt die Bilder aus, die sie haben möchten. Sie können sie, wenn sie so lange warten wollen, eine Stunde später mit nach Hause nehmen – was die meisten auch tun. Zwischen dem hier und meiner Aushilfstätigkeit bei einem Fotografen während meiner Highschoolzeit lag ein himmelweiter Unterschied. Der Mann machte eine Fotosession, ließ den Kunden dann eine Woche später wieder antanzen und zeigte ihm eine Diavorführung mit den besten Bildern. Und es dauerte dann noch mal ein paar Wochen, ehe der Kunde seine Fotos tatsächlich in der Hand hatte. Ein Festival der Langsamkeit – dagegen leben wir heute echt auf der Überholspur.
Ich steckte die Speicherkarte in das Lesegerät und hatte bereits die Bestellsoftware geöffnet, um Gretchens Informationeneinzugeben, als sie ohne rote Jacke zurückkam. Ihr Gesicht hatte sie abgewaschen, und es wirkte wieder ganz schlicht. Ich zog die Dateien in einen Ordner und zeigte ihr nacheinander alle Fotos.
Sie sagte nicht viel, bis wir zum letzten kamen. Auf dem lachte sie, das Gesicht leicht zur Seite gedreht, den Blick gesenkt. Es war völlig anders als die bisherigen, die irgendwie gezwungen und künstlich wirkten, wofür ich mich insgeheim schämte, obwohl ich wusste, dass sie genau das haben wollte.
„Ich finde, das ist das beste Foto“, sagte ich.
Gretchen starrte das Foto lange stumm an. „Ich mag es nicht.“
Ich war so überzeugt davon, dass sie in Begeisterungsstürme ausbrechen würde, dass der Cursor bereits über dem Bestellbutton schwebte. Vor Schreck klickte ich sogar und fügte das Foto aus Versehen zur Bestellung hinzu. „Ups.“
Sie schüttelte den Kopf. „Das sieht nicht aus wie ich.“
Es sah mehr nach ihr aus als alle anderen Fotos, aber ich wollte mich nicht mit ihr streiten. „Also gut. Wir können noch andere Fotos aussuchen.“
„Warten Sie.“ Gretchen berührte meine Maushand, damit ich das Foto nicht wegklickte.
Sie schaute das Bild länger an, als ich ihr hätte erlauben dürfen. Ich wusste, dass noch andere Kunden warteten, und die Bezahlung bei Foto Folks lief teilweise über einen Bonus, der nicht nur nach der Anzahl der bestellten Fotos, sondern auch nach der Anzahl der betreuten Kunden berechnet wurde. Es ging mir nicht nur um mein Geld, sondern auch um die Kollegen, die sich darauf verlassen mussten, dass ich ihre Arbeit so gut aussehen ließ, dass die Kunden kauften.
„Nein. Das sieht nicht aus wie ich. Mir gefällt das eine, wo ich das Kinn in die Hand stütze“, erklärte sie. Keine Chance, sie vom Gegenteil zu überzeugen.
Gretchen verließ kurz darauf den kleinen Raum. Sie hatte für über hundert Dollar Fotos bestellt, plus ein dazu passendes Etui. Ich hatte den Eindruck, sie wollte die Fotos mit ihren Freundinnentauschen, so wie die Kinder es in der Schule auch mit ihren Fotos machten.
„Ich bin so froh, dass Helen Sie mir empfohlen hat“, sagte Gretchen, als ich sie zum Ausgang begleitete. „Ich werde meinen anderen Freundinnen auch von Ihnen erzählen!“
„Danke, das freut mich sehr.“
Sie war immer noch ganz übersprudelnd vor Freude, als sie ging, und ich überlegte, dass ich meinen Job wohl doch ziemlich gut machte. Jetzt brauchte ich auch einen Kaffee, aber Mindy tippte mir auf die Schulter. „Du hast da einen speziellen Kunden.“
Ich drehte mich um. „Teddy.“
„Hey.“
Das Herz schlug mir bis zum Hals. Ich schaffte es immerhin, „Hi“ zu quietschen. Anders als bei fast jeder anderen Gelegenheit, wenn wir uns sehen, öffnete Teddy diesmal nicht die Arme, um mich an sich zu drücken. Ein unbehagliches Schweigen breitete sich zwischen uns aus, während Mindy uns beobachtete. Sie machte große Augen, und ihr Mund stand leicht offen. Um fair zu sein, steht Mindys Mund immer leicht offen. Aber heute stand er noch etwas mehr offen.
Teddys Lächeln hätte mir eine Warnung sein sollen. „Ich habe gehofft, dass du heute arbeitest.“
„Ich arbeite fast jeden Tag.“
„Hm, ja.“ Er seufzte. „Hör mal, Olivia. Patrick hat mir erzählt … also, was passiert ist.“
Wir befanden uns nicht gerade an einem privaten Ort, und ich konnte mit ihm unmöglich hier darüber reden. Ich wollte dieses Gespräch ohnehin nicht mit Teddy führen.
„Hat
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