NAM-Tech: Maschinenbrut (German Edition)

globalen Ressourcen-Krieges prognostizierte, in seinen präzisionsarmen Berechnungen eine wesentliche Rolle.
    Drei Tage.

03 _ Badlands [Lichterspiel]
     
    Der Griff zur Schädeldecke war stets ein ganz besonderer Moment.
    Langsam tasteten seine osmotisch verschrumpelten Finger über blanke Kälte und feine Rillen zu den Schließelementen. Beinahe ehrfürchtig erwartete Sorrce die Aktivierung, versuchte, die leisen Schwingungen aufzunehmen, die durch das Kugelhaupt gingen, und öffnete erst dann wieder die Augen, als der Mechanismus die Verankerung schnappend gelöst hatte.
    Vor ihm lag eine Millimeterlandschaft aus grünen Platinenkörpern, blauen Leiterbahnen und metallischen Hardwareschnittstellen, manche erhoben und hügelig, manche versenkt und wie ausgestanzt, und einige mit blanken Kappen geschützt. Im ersten Moment war er versucht, einen Schlitzprofildreher aus den Laborkästen zu nehmen, und das große Logo, das auf die schwarzen Hauptspeicherblöcke gedruckt war, wütend zu zerkratzen: NAM-Tech! Dann aber überwand er seine Aggressionen und löste eine kleine, runde Kappe von der darunter liegenden Buchse. Behutsam führte er Stecker und Buchse zusammen, arretierte und wandte seinen Blick auf den Diagnoseschirm, der die Übertragung überwachte.
    Die gespeicherten Daten wurden über die neue Verbindung eingelesen, gingen codegesichert um die halbe Welt und landeten direkt in den hochverfügbaren Clustern von Trans-Humaine. Sorrce kannte die Verlässlichkeitsstrategie von Scheich Rasul al Wahed. Maximaler Grad an Redundanz, Daten spiegeln und automatisch Kopien anlegen. Antike Uralt-Konzepte, aber wirksam. Die Information über den Angriff auf die NAM-Tech-Station Langoide hier in den Badlands würde nie wieder aus den Datenbanken von Trans-Humaine gelöscht werden. Habgieriges Sicherungskonzept, aber wirksam. Leise Bewunderung. Archaisch.
    Sorrce war sich nicht sicher, aber er hatte die beharrliche Vermutung, dass dieses Verfahren sogar schon bei den Römern zum Einsatz gekommen war. Vielleicht nicht mit so hohen Datenmengen. Vielleicht nicht mit so vielen Komponenten. Aber er glaubte sich zu erinnern, dass sie schon damals über gläserne Datenleitungen mehrere Gigabyte an Information in den Archiven der Stadtbibliothek speichern konnten. Vermutlich zentralisiert.
    Die Römer. Etwas Faszinierendes war in den Geschichten dieses alten Volkes, im Ruhm ihrer Feldherren, im Glanz ihrer Siegeszüge. Sorrce sah auf die kniende Gestalt hinab, deren Schädel er geöffnet hatte, und er dachte an seine Ankunft in dieser Station. An die gesprengten Tore, die zahlreichen Gefallenen am Wegrand und die sprühenden Funken in den Korridoren. Dieses Mal war es nicht so gewesen wie in Marie-Jouvance. Keine schleichende Infiltration. Kein wochenlanges Schauspiel. Keine Reden und keine sektenhafte Überzeugungsarbeit.
    Der Einsatz von Psychodrogen war minimiert worden. Allein der Gedanke an dieses Zeug und seine Auswirkung auf die NAM-Tech-Mitarbeiter in Bern machte ihm zu schaffen. Obwohl sie es verdient hatten. Aber bei so vielen gleichgeschalteten Infizierten, die manisch nach einem Kultführer schrien, ihn verehrten und sich vor ihm in den Staub warfen, wurde man ja selbst verrückt.
    Dieses Mal war es anders gelaufen. Er hatte die Zeit in Marie-Jouvance genutzt, um die Integrationsmaschinerie von NAM-Tech ausgiebig zum Einsatz zu bringen und seine eigene, kleine Truppe technologisch optimierter Soldaten zu produzieren. Alles in Absprache mit al Wahed natürlich. Mit Erstaunen hatte er gesehen, was aus den rebellischen Wissenschaftlern geworden war, die er zur Strafe für ihr Aufbegehren in die Modifikation gegeben hatte.
    Verbesserte Menschen mit eingepflanzten Waffensystemen und cyborgartige Maschinen mit eingesetztem Bewusstsein. All das war nur noch durch die Ankunft des vierköpfigen Aufklärungsteams übertroffen worden. Zwei der Gefangenen waren zwar entkommen. Zu seinem großen Ärger auch die Entwicklung namens Switche, die er – bis auf die Feinkalibrierung – schon als abgeschlossen betrachtet hatte. Eine andere war derart stümperhaft seziert worden, dass sie nach dem Zusammenfügen der Einzelteile mit mechanischen Komponenten nicht mehr reanimiert werden konnte. Der letzte aber, der ein hervorragendes Immunsystem und eine beeindruckende physische Verfassung besaß, war in der Integration ein voller Erfolg gewesen.
    Der Sicherheitsmann von NAM-Tech, der nun vor ihm kniete: Vince Volt.
    Zu gerne hätte er