Namibia
herbeirufen. Es waren nicht einfach nur abgerundete Steine, die hier lagen, sondern uralte Kanonenkugeln und geprägte Goldmünzen. Messingrohre stellten sich als Hinterlader-Kanonen heraus und halbverrottete Holzstücke als Überbleibsel des einstigen Schiffes.
Schnell waren weitere Kollegen aus aller Welt informiert. In Kürze war ein hochkarätiges internationales Spezialistenteam vor Ort, bestehend aus Meeresarchäologe Dr. Bruno Werz, Archäologe Fransisco Alves vom portugiesischen Kulturministerium und Dr. Webber Ndoro vom African World Heritage Fund, dem die Leitung des Projekts „Oranjemund Shipwreck “ übertragen wurde.
Die Bergungsarbeiten waren ebenso mühsam wie aufregend und verliefen so, wie man sich Dinosaurierfreilegungen vorstellt: Hochkarätige Forscher, die behandschuht im Sand krabbeln und mit Pinseln in Millimeterarbeit Kleinteile abstauben. Heutzutage wird all dies überwacht von Kameras.
Das Alter des Wracks
Die Untersuchungen ergaben, dass die
Bom Jesus
1533 vor der Küste Namibias in Höhe von Oranjemund gesunken ist. Dies war 47 bzw. 45 Jahre, nachdem Cão 1486 beim heutigen Cape Cross und Diaz 1488 beim heutigen Lüderitz die Küste Südwestafrikas betraten. Es war die Hoch-Zeit der portugiesischen Seefahrerflotte .
Anhand des gut erhaltenden Masts ließ sich der Schiffstyp „Não“ identifizieren. Das dreimastige, vermeintlich hochseetüchtige Segelschiff mit 250 Besatzungsmitgliedern war auf dem Weg von Lissabon nach Indien. Dort sollten Münzen und das bei den Indern heißbegehrte Kupfer gegen Gewürze, mit denen sich damals ein Vermögen verdienen ließ, eingetauscht werden. Vor Südwestafrika kam das Schiff, wahrscheinlich aufgrund der starken Benguela-Strömung, vom Kurs ab, bis es 140 m vor der Küste auf einen Felsen lief. Das Schiff sank auf den Meeresboden, etwa sieben Meter unter der Wasseroberfläche. Der Oranje spülte bald wieder viel Sand in den Atlantik – ebenjener Prozess, der für die Ablagerung der Diamanten vor der Küste Namibias verantwortlich war (s. S. 274 ). Das Schiff wurde durch dicke Lagen von Sand geschützt – nur dadurch lässt sich der gute Zustand erklären. Sonst hätte die Benguela-Strömung das Wrack schnell auseinandergerissen und die Münzen in weite Fernen gespült.
So blieb jedoch ein unfassbarer Schatz erhalten: 20 t Kupferbarren, geprägt mit dem Siegel der Fugger, einer berühmten Kaufmannsfamilie aus Augsburg; „Berco“-Kanonen aus der Zeit um 1535 sowie Schwerter (beides nur zur Verteidigung des Schiffes); 67 Stoßzähne aus Elfenbein (mehr als 600 kg); 2194 Goldmünzen (21,15 kg Gold!) – hauptsächlich portugiesische Münzen mit dem Portuguez-Wappen des Königs João III. sowie spanische Münzen mit dem Konterfei des Königspaares Ferdinand und Isabella –; 109 Silbermünzen; 5,5 t Zinn sowie Navigationsausrüstung, u. a. 3 Astrolabien – Sternhöhenmesser und Vorgänger des Sextanten. Der Gesamtwert dieses Schatzes wird momentan auf 70 Millionen Euro geschätzt. Wem dieser Schatz nun eigentlich gehört – Portugal oder den Nachfahren der Fugger oder Namibia, wo es gefunden wurde – muss noch geklärt werden.
Ebenso wertvoll für die Forscher waren Lederkleidung, Pfannen, Essgeschirr, Läusekämme und weitere Überreste der Ausrüstung der Besatzungsmitglieder, lassen diese doch Rückschlüsse auf das Leben in der damaligen Zeit und insbesondere auf dem Schiff zu. Dr. Webber Ndoro: „Dieses Wrack gewährt uns einen neutralen Einblick in die Welt vor 500 Jahren, in eine Zeit, in der europäische Seefahrer die Südspitze des Kontinents entdeckten und erstmals mit der Bevölkerung in Kontakt traten.“
In Amy Schoemans Buch
Skeleton Coast
sind neben den Berichten über Fauna und Flora auch die wunderlich anmutenden Geschichten über Glücksritter wie Ben du Preez, Prospektoren wie die van der Westhuizens und die ersten Abenteurer wie Diego Cão, Captain Messum, Esser, Hartmann und von Estorff zu lesen. Grandios sind die Geschichten, wie Dirk Mudge, ein bekannter namibischer Politiker, sein Flugzeug verlor und Hans Otto Meissner, der deutsche Reiseschriftsteller, eine Bruchlandung machte.
Auch das Autofahren an der Skelettküste ist ein Erlebnis der besonderen Art – im Nebel, ohne Straßen, die Dünen reichen mitunter bis ans Wasser, also ist bei Flut kein Durchkommen etc. Umso erstaunlicher, dass 1975 Flüchtlinge aus dem nunmehr unabhängigen Angola mit 66 Fahrzeugen, darunter ein Mini (!), an der Küste entlang nach
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