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Namibische Nächte (German Edition)

Namibische Nächte (German Edition)

Titel: Namibische Nächte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle van Hoop
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gerichtet. Er stand auf dem schmalen Weg, der zu ihrer Hütte hinführte. Sie erstarrte. Da sie sich allein gewähnt hatte, trug sie nichts außer einem T-Shirt. Einem sehr knappen T-Shirt. Aber selbst das schien ihr unter Kians Blick verschwunden zu sein. Sie fühlte sich nackt.
    Albern. Er hatte sie oft genug nackt gesehen. Es war nichts Neues für ihn. Sie räusperte sich. »Guten Morgen, Kian«, begrüßte sie ihn ganz beiläufig, als hätten sie sich beim Sonntagsspaziergang auf der Promenade getroffen.
    Seine Augen wirkten starr. Sie bewegten sich nicht. »Ich muss nach der Wasserpumpe sehen«, sagte er. »Ich komme später wieder. Wenn du beim Frühstück bist.«
    »Du kannst auch jetzt . . .« Vanessa schlüpfte halb ins Zimmer hinein, angelte nach ihrem Morgenmantel und warf ihn über. Schnell zog sie den Gürtel zu. Jetzt fühlte sie sich besser.
    »Das kann warten«, sagte er. »Du willst ja sicher noch duschen.«
    Duschen? Ach, warum eigentlich? War das überhaupt nötig? Die Fragen wuselten in ihrem Kopf herum, als hätte Kian sie mit seinem Auftauchen wie ein heftiger Wind durcheinandergewirbelt. Sie konnte für einen Moment keinen klaren Gedanken fassen und fühlte, dass etwas in seinem Blick sie festhielt. Auch mit diesem unheilvollen Unterton klang seine Stimme weich und verführerisch. Sie wollte sich am liebsten hineinsinken lassen.
    Das ging nicht. Kian war verheiratet. Und auch noch mit Isolde. Sie hatten Kinder. »Bevor ich abreise, meinst du?«, erwiderte sie kühl.
    Er hob eine Augenbraue. »Wenn du so kurzfristig abreist, können wir dir das Geld nicht zurückerstatten.«
    »Ich dachte, du wolltest, dass ich gehe.« Vanessa versuchte den Trick mit der einen Augenbraue, aber er klappte nicht. Sie musste beide heben.
    »Das ist deine Entscheidung«, wiederholte Kian genauso unbeteiligt wie gestern. »Du hast für vierzehn Tage gebucht. Es ist dein gutes Recht, das Rondavel auch zu nutzen.« Er drehte sich um und ging mit weit ausholenden Schritten davon.
    Ein paar Sekunden schaute Vanessa seiner kleiner werdenden Gestalt nach, als wäre sie auf der Stelle festgewachsen, dann drehte sie sich um und ging ins Haus hinein.
    Männer. Erst Steffen, jetzt Kian. Konnten die sie nicht einfach in Ruhe lassen?
    Sie duschte und zog sich an. Dann ging sie zum Restaurant hinüber. Gestern beim Abendessen hatten alle über den Game Drive geschwatzt, ihre Erlebnisse noch einmal Revue passieren lassen. Der hervorragende südafrikanische Wein hatte dazu beigetragen, dass sich die Zungen lösten und bald lautes Lachen zu hören gewesen war, das gar nicht in die einsame Landschaft zu passen schien.
    Isolde war erschienen und hatte sich zu den Gästen gesetzt, ihre Fragen beantwortet. Sie war eine gute Gastgeberin. Man sah ihr nicht an, ob die Fragen sie langweilten. Im Gegensatz zu Kian wurde sie nicht grob, wenn man ihr zum hundertsten Mal dieselbe Frage stellte.
    Vanessa hatte gegessen und das Treiben eine Weile beobachtet. Offenbar waren alle Gäste paarweise angereist. Einige mit Kindern. Sie war die einzige Alleinreisende.
    Nach einer Weile hatte sie Isoldes Attitüde als Herrin des Hauses nicht mehr ertragen. Vermutlich tat sie nur das, was alle von ihr erwarteten – wie immer –, aber für Vanessa erschien es wie Hohn. Als ob Isolde ihr zeigen wollte: Das alles hier gehört mir – inklusive Kian.
    Schon allein, um diesem Anblick zu entkommen, war Vanessa früh schlafen gegangen. Im Bett hatte sie den Geräuschen gelauscht, die hier nicht mehr vom Lachen der gutgelaunten Gäste übertönt wurden.
    Mit geschlossenen Augen lag sie da und ließ sich vom Zirpen der afrikanischen Grillen einlullen. Sobald in einem Film irgendetwas über Afrika gezeigt wurde, war es meistens mit dieser Geräuschkulisse unterlegt. Deshalb fühlte es sich nicht fremd an. Doch diesmal lag sie nicht auf ihrer Couch im Wohnzimmer, hörte die Laute und dachte sich: Aha, da wird etwas über Afrika gezeigt.
    Diesmal war sie in Afrika.
    Sie hatte das Restaurant erreicht, und im Gegensatz zu gestern Abend war es ausgesprochen ruhig an dem langen Tisch. Viele Gäste waren wohl schon in aller Frühe abgereist, auf zur nächsten Lodge oder Farm oder Camp Site. Lodge Hopping hatte einer der Männer es gestern genannt. Jeden Tag woanders. Dasselbe hatte ja auch schon die Mutter auf dem Frankfurter Flughafen beschrieben.
    Anscheinend gab es viele Leute, die Namibia auf diese Art bereisten. Die möglichst viel vom Land in möglichst kurzer Zeit

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