Namibische Nächte (German Edition)
Größe offensichtlich nicht. Sie stellten sich jedem Angreifer mutig und unerschrocken entgegen.
Zum Schluss fuhren sie auf eine Anhöhe, stiegen aus, und Johannes baute auf einer Art Campingtisch ein paar Knabbereien und Getränke auf.
Am Horizont senkte sich langsam die Sonne, und der Himmel begann, sich rot zu färben.
Fasziniert starrten die Touristen darauf. »Afrikanische Sonnenuntergänge sind doch die schönsten«, flüsterte eine Frau und schmiegte sich an ihren Mann. »So romantisch.«
Vanessas Blick schweifte zu Kian hinüber, der etwas entfernt am Rand der Anhöhe stand. Er sah aus wie eine Statue. Seine Gestalt hob sich schwarz vor dem hellen Himmel ab. Mied er die Nähe der Touristen, weil sie dabei war?
Johannes hatte eine Flasche Sekt geöffnet, goss etwas in die mitgebrachten Gläser und forderte die Gäste auf, sich zu bedienen. Als Vanessa nicht kam, brachte er ihr ein Glas.
»Sie mögen den Sonnenuntergang nicht?«, fragte er. »Sie schauen in die falsche Richtung.« Er lächelte breit. »Wir sind eigentlich für den Sundowner hier. Das ist der schönste Platz.«
Vanessa beeilte sich, das Glas zu nehmen. »Ja, ein sehr schöner Platz«, sagte sie. »Wirklich.« Wieder schweifte ihr Blick zu Kian hinüber.
»Sie kennen den Baas, habe ich gehört?« Johannes betrachtete sie neugierig. »Waren Sie schon mal in Afrika?«
»Nein.« Vanessa schüttelte den Kopf. »Noch nie. Aber . . .« Ihr Blick ruhte immer noch auf Kian. »Wir haben uns in Deutschland kennengelernt.«
»Ah«, machte Johannes. »Deutschland. Als er dort war.«
»Ja«, bestätigte Vanessa. »Als er dort war.«
In diesem Moment drehte Kian sich um und kam zu ihnen herüber. »Die Sektflasche ist leer, Johannes«, fuhr er Johannes barsch an. »Siehst du das nicht?«
»Doch, doch.« Johannes zog sich mit einem immer noch neugierigen Blick von Kian und Vanessa zurück.
»Hoffentlich hast du deine Sonnencreme nicht vergessen«, fuhr Kian mit zusammengezogenen Augenbrauen fort. »Viele Touristen denken nicht daran, wie stark die Sonne hier ist. Und deine Haut sieht blass aus.«
Vanessa spürte ein gereiztes Kribbeln in sich aufsteigen. Die ruhige Stimmung, die sie eben noch empfunden hatte, verflog. Wieso konnte er sie so wütend machen, obwohl sie ihn liebte?
Sie stutzte. So selbstverständlich kam ihr dieser Gedanke. Dabei war es doch schon so lange her. Wie oft hatte sie sich eingeredet, es wäre vorbei. Damals . . . damals, als er in Deutschland war, hatte sie ihn geliebt, aber –
Nein, es gab kein Aber. Sie liebte ihn. Immer noch. Trotz allem.
Sie atmete tief durch. Und wie behandelte er sie? Erinnerte er sich denn an nichts, was damals gewesen war? An nichts als das unerfreuliche Ende?
Wer war daran schuld? Sie oder er? War Vanessa einfach spurlos verschwunden oder Kian? Wieder stieg der Ärger in ihr hoch.
»Erstens«, erwiderte sie gereizt, »hast du mir schon damals von der Sonne hier erzählt, das habe ich nicht vergessen, und zweitens hast du wohl vergessen, dass in Deutschland jetzt Winter ist. Da haben alle blasse Haut. Es sei denn, sie legen sich regelmäßig auf die Sonnenbank.« Sie kniff die Lippen zusammen. »Was ich mir nicht leisten kann, denn ich habe keine Zeit für so was. Ich muss arbeiten.«
»Stimmt«, sagte Kian. »Du hast deine Arbeit schon immer über alles gestellt.«
Vanessa starrte ihn an. Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Sie setzten den Streit fort, den sie vor sieben Jahren geführt hatten? »Wenn du nicht willst, dass ich hier bin, kann ich auch wieder abreisen«, erwiderte sie kühl. »Es gibt ja noch andere Gästefarmen.«
Kian musterte sie mit diesem Graf-von-Monte-Christo-Blick, der sie schon einmal so erschreckt hatte. »Das ist deine Entscheidung«, sagte er, drehte sich um und ging zum Wagen.
Nach dem Sonnenuntergang, der hier in Afrika in einem rasanten Tempo vor sich ging – eben noch hatte die Sonne rot am Himmel geleuchtet, und ein paar Minuten später war sie verschwunden –, packte Johannes alles wieder ein, und sie kehrten durch die Dunkelheit zu den Gästehäusern zurück.
Sobald sie angekommen waren, ging Vanessa in ihre Hütte, ohne noch einen Blick zurückzuwerfen. Was war das eben gewesen? Hatte Kian ihr durch die Blume – oder eigentlich eher mit dem Holzhammer – zu verstehen gegeben, dass sie gehen sollte? Es war vom ersten Augenblick an offensichtlich gewesen, dass er sie nicht hier haben wollte, aber so deutlich hatte sie es noch nie
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