Namibische Nächte (German Edition)
sehen wollten. Was bei der Größe Namibias zu langen Tagesetappen von mehreren hundert Kilometern führte, in denen man nur im Auto saß.
Das war nicht Vanessas Vorstellung von Urlaub. Etliche der Gäste hatten sie wie ein Wundertier betrachtet, als sie erzählte, dass sie ihren ganzen Urlaub hier auf der Farm gebucht hatte. Sie konnten es gar nicht glauben, dass man so lange an einem Ort bleiben wollte, wo es doch so viel zu sehen gab.
Vanessa atmete tief durch und bediente sich am Frühstücksbuffet, das im Schatten aufgebaut war. Es war angenehm, heute einmal nicht mit Fragen bestürmt zu werden, warum sie allein reiste. Als ob das so etwas Besonderes wäre. Allerdings hatte sie hier in Namibia tatsächlich das Gefühl, eine Ausnahme zu sein. In Deutschland war ihr das noch nie so vorgekommen.
»Na, wie war deine erste Nacht in Afrika?« Isolde kam lächelnd auf sie zu. »Hast du gut geschlafen?«
Vanessa zwang sich ebenfalls zu einem Lächeln. Wie konnte Isolde schon wieder so frisch sein, wo sie letzte Nacht doch sicher noch lange mit den Gästen am Tisch gesessen hatte? »Ja«, erwiderte sie. »Sehr gut. Es war so ruhig.«
Isolde lachte. »Ja, das hat mich in Deutschland immer verrückt gemacht. Dieser Lärm überall. Selbst nachts. Als ob die Stadt nie zur Ruhe kommen würde. Hier ist das ganz anders.«
Vanessa setzte sich mit ihrem Frühstücksteller an den Tisch. »Allerdings war da so ein Rappeln am Fenster«, ergänzte sie mit leicht ratlos gerunzelter Stirn. »Dabei war doch gar kein Wind.«
»Paviane«, nickte Isolde. »Sie versuchen es immer wieder, obwohl jetzt schon alle Fenster vergittert sind. Wenn du nicht plötzlich irgendwelche Sachen vermissen willst, solltest du die Fenster immer geschlossen halten – oder bei offenem Fenster zumindest nichts so nah am Fenster liegen lassen, dass ein geschickter Affenarm es greifen kann.«
Vanessa hob erstaunt die Augenbrauen. »So schlimm ist es?«
»Freche Biester sind das«, bestätigte Isolde. »Und auch nicht ungefährlich. Sie haben Zähne wie Löwen – und benutzen sie auch. Also Vorsicht. Die Leute verwechseln wilde Affen immer mit den Tieren aus dem Fernsehen. Aber so harmlos sind unsere hier nicht. Am besten fährt man, wenn man sich von den Tieren in freier Wildbahn fernhält. Es sei denn, du hast ein Gewehr dabei.«
»Hast du ein Gewehr?« Vanessa schaute Isolde erstaunt an.
»Haben wir alle«, sagte Isolde. »Auf der Farm lernen wir schießen, bevor wir laufen können.« Sie lachte und winkte Vanessa zu. »Lass es dir schmecken. Und melde dich, wenn du etwas brauchst.« Damit ging sie davon.
Vanessa blieb etwas verblüfft zurück. Isolde war ihr nie gewalttätig erschienen, und bei ihren Aussagen darüber, wie eine Frau zu sein hatte, war ein Gewehr das letzte, was Vanessa sich als eines von Isoldes Accessoires vorgestellt hätte.
Allerdings wirkte Isolde hier in Namibia auch ganz anders als damals in Deutschland. Man merkte, hier kannte sie sich aus und hier gehörte sie her. Ebenso wie Kian.
Langsam löffelte Vanessa ihr Müsli. Zu ihrer Überraschung hatte es das gegeben. Sie musste fast lachen. Müsli in Afrika. Damit hatte sie nicht gerechnet. Aber man war hier eben auf die Wünsche der Touristen eingestellt.
Kian hatte in Deutschland ein deftiges Frühstück bevorzugt. Eier, Speck, Bratwurst. Auch das hatte Vanessa auf dem Bufett gesehen. Es war das, was in Namibia morgens üblich war, hatte Kian ihr damals erzählt. Ihr Müsli hatte ihm immer nur ein amüsiertes Grinsen entlockt.
Sie ließ ihren Blick schweifen, schaute einfach so vor sich hin und genoss die Wärme und die Sonne. Vielleicht würde sie später ein wenig an den Pool gehen. Es war so schön, Zeit zu haben. Keine Termine, die drängten. Keine Kunden, die sie nervten. Keine Druckerpatronen, die sie noch im letzten Moment besorgen musste. Es war himmlisch.
»Fährst du nicht weg?« Eine Kinderstimme holte sie aus ihren Gedanken.
Vanessa blickte erstaunt auf ein kleines Mädchen, das auf der anderen Seite des Tisches stand und sie ansah. Das Mädchen war dunkelbraun, nicht so schwarz wie beispielsweise Johannes, und die Kleine sprach Deutsch.
Vanessa war für einen Moment irritiert. »Nein, ich fahre nicht weg«, antwortete sie. »Ich bleibe hier.«
»Lange?« Die dunklen Augen musterten sie ernst.
»Zwei Wochen«, sagte Vanessa. »So lange habe ich hier gebucht.«
»Wie lang ist das?«, fragte die Kleine.
»Vierzehn Tage«, erklärte Vanessa. »Heute,
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