Namibische Nächte (German Edition)
morgen, übermorgen . . .« Sie zählte die Tage an ihren Fingern ab. »Beide Hände«, sie hob die Hände, »und dann noch vier Finger.« Sie hob eine Hand und klappte den Daumen ein.
»Das ist lang«, nickte die Kleine versonnen.
»Na ja . . .« Vanessa lachte leicht. »Das kommt auf den Standpunkt an. Für einen Urlaub ist es eher kurz.«
»Was ist Urlaub?« Die Kleine kam zu ihr herüber und stellte sich ganz nah vor Vanessa hin.
»Wenn man nicht arbeiten muss«, sagte Vanessa.
»Ferien«, sagte die Kleine.
»Ja.« Vanessa nickte. »So kann man es auch nennen.« Sie musterte das Kind. »Und da wir gerade davon sprechen: Hast du denn gar keine Schule?« Sie schätzte das Mädchen auf vielleicht sechs oder sieben.
Das braune Köpfchen schüttelte sich. »Die Lehrerin ist krank.«
»Wie heißt du denn?«, fragte Vanessa. »Ich bin Vanessa.« Sie streckte der Kleinen die Hand hin.
Offenbar wusste das Kind nichts mit dieser Geste anzufangen. Es schaute zwar auf Vanessas Hand, nahm sie aber nicht. »Tuhafeni«, sagte sie.
Vanessa war sich nicht ganz im Klaren darüber, ob das ein Name oder ein Hallo war. »Das ist dein Name?«, fragte sie deshalb sicherheitshalber nach. »Tuhafeni?«
Die Kleine nickte heftig.
»Lernt ihr in der Schule Deutsch, Tuhafeni?«, fragte Vanessa.
»Nein.« Das Thema schien Tuhafeni nicht zu interessieren. Sie schaute Vanessas Ring an, den sie an der rechten Hand trug.
»Und woher kannst du es dann so gut?«
Tuhafeni antwortete nicht. Sie strich mit einem Finger über die glitzernde Oberfläche des Ringes. Er schien sie zu faszinieren.
In diesem Moment kam eine ältere schwarze Frau aus dem Haus und sprach Tuhafeni offensichtlich ungehalten an.
Vanessa verstand kein Wort, aber aus den Gesten konnte sie entnehmen, dass die Frau Tuhafeni wegschickte.
Tuhafeni verzog das Gesicht. Anscheinend wollte sie nicht gehen. Die Gesten und die Sprache der Frau wurden noch gebieterischer.
»Lassen Sie sie doch hierbleiben«, sagte Vanessa auf Englisch. »Sie stört mich nicht.«
»Sie muss gehen«, antwortete die Frau. Mit einem letzten mürrischen Blick verscheuchte sie Tuhafeni endgültig, die schnell um die nächste Hausecke lief. Die Frau stellte die Schale mit Früchten, die sie in der Hand gehalten hatte, vor Vanessa auf den Tisch, daraufhin verschwand sie wieder im Haus.
Vanessa schüttelte den Kopf. Auch wenn sie nicht verstanden hatte, was die Frau gesagt hatte, es hatte sehr böse geklungen. Vielleicht hatte Tuhafeni nicht die Wahrheit gesagt bezüglich der kranken Lehrerin. Möglicherweise hatte die Frau sie in die Schule geschickt.
Sie beendete ihr Frühstück und ging dann in ihre Hütte zurück, um sich einen Bikini anzuziehen. Mittlerweile war es so warm geworden, dass sie sich richtig auf die Abkühlung im Pool freute.
Auf dem Weg zum Pool traf sie wieder ihren alten Freund, den kleinen Drachen. Sie konnte natürlich nicht sagen, ob es dasselbe Tier war, aber auf jeden Fall blieb er stehen, als wollte er auf sie warten, um sie zu begrüßen.
»Das ist aber nett von dir«, sagte Vanessa lächelnd, blieb ebenfalls stehen und schaute ihn an. Die Farben waren wundervoll. Und wie sie in der Sonne leuchteten.
Sie blickte nach oben zum Himmel. Es war immer noch Vormittag und trotzdem schon heiß. Gestern hatte sie die größte Mittagshitze verschlafen, heute würde sie sehen, wie es war, wenn sie nicht schlief.
Sie ging zum Pool weiter, legte ihr Handtuch auf eine Liege und setzte sich darauf, um sich einzucremen. Das war hier wirklich nötig. Gestern Abend hatte sie bei einigen Gästen viel verbrannte Haut gesehen. Vor allem Männer waren rot aufgebrannt, insbesondere, wenn sie nicht mehr viele Haare auf dem Kopf hatten. Verbrannte Glatzen, verbrannte Nacken und bei den Frauen verbrannte Dekolletés und Oberarme.
Kian hätte sie eigentlich dafür loben müssen, dass es bei ihr nicht so gewesen war. Stattdessen hatte er sie kritisiert.
Ihre Kiefer pressten sich ganz von selbst zusammen. Warum war sie bloß hergekommen? Es hatte doch gar keinen Sinn.
Ein Hauch warmer Luft strich über ihre Haut. Ihre Kiefer lösten sich. Vielleicht doch. Es war November. Sie saß nicht in ihrem Büro. Sie starrte nicht in den Computer. Sie musste sich nicht die Beschwerden der Kunden anhören oder mit Druckereien telefonieren. Es war nicht nass und es war nicht kalt. Die Sonne verwöhnte sie mitten im Winter.
Auf einmal lächelte sie. Sie stand auf, ging zum Pool und sprang hinein. Kaum
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