Namibische Nächte (German Edition)
Rollos heruntergelassen hatte. Sollte sie sie wieder öffnen? Aber dann stand vielleicht dieser widerliche Boris plötzlich auf der Veranda und schaute zu ihr rein. Das wollte sie sich lieber ersparen, also blieben die Rollos geschlossen.
Kein Wasser, keine Aussicht, keine menschliche Gesellschaft – sie kam sich vor, als wäre sie plötzlich auf dem Mond gelandet, ganz allein in einer unwirtlichen Welt.
Sie überlegte, was sie tun sollte. Bescheid sagen, dass sie abreisen würde? Aber wem? Isolde? Und dabei vielleicht auch noch Kian treffen? Sie stöhnte auf. Das ging gar nicht. Nicht jetzt.
Plötzlich fühlte sie sich furchtbar müde. Sie war wohl doch zu früh aufgestanden. Durch den Sekretär war sie eher munter geworden, als sie es beabsichtigt hatte. Ihre Augenlider senkten sich schwer, und sie musste dagegen ankämpfen.
Ach, was sollte es? Ob sie schlief oder einfach nur hier saß, es war doch alles dasselbe. Sie stellte die Dose auf den Nachttisch und rutschte in eine bequeme Liegeposition. Nur ein Viertelstündchen, dann würde die Maid sie wecken, die ganz sicher bald zum Aufräumen kam. Dann konnte Vanessa ihr sagen, dass sie abreisen wollte, es musste ja nicht Isolde sein, der sie das mitteilte.
Sie fühlte eine angenehme Schwere ihre Glieder erfassen.
Streichelnde Hände fuhren über ihren Körper, lockende Lippen hauchten heißen Atem auf ihr Ohrläppchen. Vanessa erschauerte im Aufkommen wohliger Erregung.
Sie wusste nicht, ob sie träumte oder wach war. Für einen Moment war sie sich ganz sicher, dass sie träumen musste, im nächsten jedoch kam ihr alles völlig real vor.
Sie hielt die Augen geschlossen. Falls es ein Traum war, wollte sie ihn nicht zerstören.
Es kamen ihr Bilder in den Sinn, die sich zwischen Traum und Wirklichkeit mischten. Kian und sie hatten gemeinsam die Wohnung angestrichen. Plötzlich waren sie so übermütig geworden, dass sie sich gegenseitig mit Farbe bespritzten, bis sie fast nicht mehr aufhören konnten, und sich dann endlich, von oben bis unten weiß bekleckert, küssten.
Vanessa erinnerte sich noch daran, wie dieser Kuss geschmeckt hatte, nach Farbe und Leim und gleichzeitig doch so süß wie eine im Süden gereifte Frucht. Danach hatten sie ein gemeinsames Bad genommen, und auch das war sehr süß gewesen.
Diese Erlebnisse am Anfang ihrer Beziehung hatte sie nie vergessen, doch irgendwann waren sie nur noch eine sehr, sehr ferne Erinnerung. Aber nun war Kian zu ihr gekommen, lag hinter ihr, wärmte ihren Rücken, streichelte sie, küsste ihren Nacken, ihre Schulter, ihren Hals.
Sie seufzte auf.
Es war, als hätte sie etwas wiedergefunden, das schon so lange verloren gegangen war, dass sie sich kaum mehr daran erinnern konnte, es verloren zu haben.
Die Hände wurden vorwitziger, die Erregung stieg an.
Es ist nur ein Traum, dachte Vanessa. Ich weiß, dass es einer ist. Aber ein schöner. Nur noch ein kleines Weilchen . . .
Seine Hände streichelten sie, wanderten über ihren Körper, hinterließen heiße Spuren.
»Mhm . . .«, machte Vanessa leise. Sie genoss das Gefühl von Kians warmen Händen auf ihrer Haut. Das Kribbeln an ihren Schenkeln, an ihren Brüsten und in ihrem Bauch wurde langsam stärker. Sie schmiegte ihren Po in seinen Schoß.
»Du machst mich verrückt«, wisperte er ganz nah an ihrer Wange, während er sich über sie beugte.
Vanessa lachte leise. Auch ihre Stimme klang rau. »Das hoffe ich.«
Es dauerte sehr, sehr lange, bis Zärtlichkeit sich zu Leidenschaft steigerte. Irgendwann lag sie nur noch in seinem Arm, erschöpft und glücklich. Immer noch kribbelte ihre Haut.
Und kribbelte. Und kribbelte . . .
Sie erwachte widerwillig. Das Kribbeln hörte nicht auf. Als sie mit einer Hand über ihren Arm fuhr, stellte sie fest, dass ein paar Ameisen beschlossen hatten, eine Straße über ihr Bett zu bauen, das hieß: über Vanessa.
Sie sprang schnell auf und schüttelte sich. Bisher war es nur so eine Art Vorhut gewesen, die auf ihr herumgekrabbelt war, aber wenn sie länger geschlafen hätte . . . Gullivers Reisen ließ grüßen.
Sie ging ins Bad, nahm ein Handtuch und versuchte, damit sämtliche Ameisen, die sich in ihrer Kleidung verfangen hatten, zu beseitigen.
Schon während sie noch mit dem Handtuch auf ihren Rock schlug, begann sie jedoch zu lächeln. Was für ein schöner Traum das gewesen war. Noch ganz in dem Gefühl gefangen, als ob sie es tatsächlich erlebt hätte, stand sie eine Weile da und ließ den Traum noch einmal
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