Namibische Nächte (German Edition)
getroffen. »Du hast doch schon drei.« Ihre Stimme klang dumpf.
»Ach, eins mehr kann nie schaden.« Isolde lachte. Das Glück strahlte ihr aus den Augen. Sie schaute auf den traurigen Rest von Vanessas Frühstück hinunter. »Ich lasse dir ein neues bringen.«
Vanessa atmete tief durch. »Ich habe keinen Appetit mehr«, erwiderte sie mühsam beherrscht und ging schnell in Richtung ihrer Hütte los. Am liebsten wäre sie gerannt. Nur weg hier.
Ihre Gedanken rasten. Isolde bekam ein Kind. Sie war schwanger. Von Kian. Vanessa lachte innerlich auf. Von wem sonst? Sie waren verheiratet, und Isolde war nicht der Typ, sich in dieser Wildnis einen Liebhaber zu suchen. Die gute, brave Isolde . . .
Allein die Vorstellung, dass Kian und Isolde miteinander schliefen, verursachte Vanessa Übelkeit. Vorgestern noch hatte Kian sie in der Nacht umarmt – und heute war Isolde schwanger.
Nun ja. Selbst Vanessa musste vor sich selbst zugeben, dass es kaum vorgestern Nacht passiert sein konnte. Es musste mindestens ein paar Wochen her sein, lange, bevor Vanessa auf die Farm gekommen war.
Und trotzdem empfand sie es wie einen Betrug. Ja, sie wusste, sie hatte kein Recht –
»Na, wer ist denn da schon so früh auf? Morgenstund’ hat Gold im Mund, was?« Ein unangenehmes Lachen riss Vanessa aus ihren Gedanken.
Sie blieb irritiert stehen. Dadurch, dass sie wie ein Stier mit gesenkten Hörnern losgelaufen war, hatte sie nicht bemerkt, wie jemand auf sie zukam. Genau die Person, die sie am allerwenigsten zu sehen wünschte. Okay . . . außer Isolde . . . und Kian.
Sie schaute den Mann mit unbeteiligtem Gesicht an. »Sie sind ja auch schon auf.«
»Ich habe noch viel vor heute«, erwiderte er. Seine Mundwinkel verzogen sich schief nach oben. »Wir haben uns noch gar nicht vorgestellt. Boris Kretschmer.« Er tippte an seinen abgetragenen Hut, der einen deutlichen Schweißrand trug, und grinste. »Sie können mich Boris nennen.«
»Guten Morgen, Herr Kretschmer«, entgegnete Vanessa kühl und ging an ihm vorbei.
Kretschmer drehte sich um und folgte ihr, schlenderte neben ihr her, als würden sie zusammengehören. »Sie wollen mir Ihren Namen nicht verraten?«
»Warum sollte ich?« Vanessa blickte stur nach vorn auf ihre Hütte, der sie sich näherten.
»Das ist aber schade . . . Vanessa . . .« Er grinste noch mehr.
Vanessas Kopf fuhr herum. »Woher wissen Sie das?«
»Na, hören Sie mal . . .« Er lachte, als ob das eine ganz dumme Frage wäre. »Hier ist das doch kein Problem. Die nette Besitzerin hat ihn mir verraten.«
Isolde . . . natürlich. Immer wieder Isolde. Vanessa presste die Zähne so fest zusammen, dass sie knirschten. »Dadurch sind Sie jetzt aber auch nicht schlauer!«, erwiderte sie scharf, betrat ihre Hütte und schlug die Tür hinter sich zu. Sicherheitshalber legte sie auch noch den Riegel vor. Bei diesem Kretschmer konnte man nie wissen.
Sie ging schnell zur Verandatür und ließ die Rollos herunter. Sie wollte nichts mehr von dieser verdammten Savanne sehen, von diesen Vögeln, die nur in Paaren auftraten. Wie machten die Vogeldamen das nur, ihre Männer für ein ganzes Leben an sich zu binden? Hatten sie irgendein Geheimnis, das Menschenfrauen nicht kannten? Oder waren Vogelmänner einfach anders?
Ja, natürlich waren sie das. Erschöpft fuhr sie sich über die Stirn. Was für merkwürdige Gedanken machte sie sich denn da? Vögel, selbst so große und majestätische Vögel wie der Sekretär, waren keine Menschen. Sie lebten nur aus ihrem In-stinkt heraus, das war keine Liebe.
Liebe! Sie lachte trocken auf, warf ihren Hut aufs Bett und ging ins Bad. Was war das überhaupt: Liebe? War es zum Schluss nicht doch dasselbe wie bei den Vögeln? Es ging nur um Sex und Kinderaufzucht.
Isoldes Kinder. Kians Kinder. Wieder knirschten ihre Zähne laut, als sie daran dachte. Wütend drehte sie den Wasserhahn auf. Aber es kam nichts heraus. Sie starrte ihn irritiert an, schloss ihn und versuchte es noch einmal. Kein Erfolg.
Ihr Gesicht glühte, sie sehnte sich nach einer Abkühlung, aber die war wohl nicht in Sicht. Unschlüssig stützte sie sich auf das Waschbecken. Was nun? Wenn sie das richtig sah, musste wieder Kian kommen, um den Schaden zu reparieren.
Nein. Nein, auf keinen Fall! Sie konnte ihn jetzt nicht sehen. Sie wollte ihn überhaupt nie mehr wiedersehen. Morgen würde sie abreisen.
In der Nacht, als er sie geküsst hatte, hatte sie sich ihm so nah gefühlt, hatte Isolde und die Kinder vergessen,
Weitere Kostenlose Bücher