Namibische Nächte (German Edition)
Revue passieren.
Dann endlich zog sie sich aus. Da sie nicht genau wusste, wo überall die Ameisen ihre Expeditionskorps hingeschickt hatten, musste sie zumindest die Sachen wechseln. Duschen konnte sie ja leider nicht.
Während sie nach dem Anziehen noch vor dem Spiegel stand und ihre Haare in Ordnung brachte, reifte der Entschluss in ihr, zum Haus zu gehen und ihre Abreise bekanntzugeben. Sie wollte nicht auf die Maid warten. Sie wollte es hinter sich bringen.
Sie verließ ihren Bungalow und schritt kräftig aus, bis hinter einem anderen Rondavel in der Nähe des Hauses ein Land Rover auftauchte, der dort abgestellt war. Und nicht nur das. Kian ging um den Wagen herum, inspizierte die Reifen, schien Vanessa gar nicht zu bemerken.
Neben ihm lief ein großer, rotbrauner Hund, schwanzwedelnd, als ob er sich auf etwas freute.
Bei Kians Anblick wurde Vanessa ganz warm. Sie fühlte immer noch seine Hände auf ihrer Haut. Auch wenn sie wusste, dass das nur ein Traum gewesen war, waren die Gefühle, die sie immer noch empfand, real. Sie wäre am liebsten zu ihm gegangen und hätte sich an ihn geschmiegt.
Aber das war jetzt überhaupt nicht angebracht. Im Gegenteil, sie musste Abstand halten, damit ihre Gefühle sie nicht davon abhielten, das zu tun, was sie tun musste.
Sie wollte ausweichen, um das Rondavel herumgehen, so dass Kian sie nicht sehen würde, aber dann blieb sie stehen. Was nützte es, wenn sie vor ihm davonlief? Sie würde ohnehin bald nicht mehr hier sein. Sie konnte genauso gut gleich ihm sagen, dass sie abreisen würde. Dann brauchte sie nicht ins Haus zu gehen, zu Isolde, die zu sehen ihr im Moment als das größere Übel erschien.
Sie ging entschlossen auf den Land Rover zu. Erst, als sie den Wagen schon fast erreicht hatte, schaute Kian auf, als wäre er ganz in Gedanken versunken gewesen.
»Sind die Reifen nicht in Ordnung?«
»Geht so.« Er schien nicht besonders gesprächig zu sein.
»Für den Game Drive?«, fragte sie.
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Ich hoffe, der Hund kann die Wilderer aufspüren.«
»Wilderer?« Sie runzelte die Stirn.
»Ja. Sie waren bei den Nashörnern. Bis jetzt haben sie sie nicht erwischt, aber sie sind meistens nicht so leicht von ihrem Vorhaben abzubringen.« Nur widerwillig antwortete er.
Vanessa versuchte, den Blick seiner blauen Augen einzufangen, aber der Hut beschattete sie, so dass sie fast völlig im Dunkeln lagen. »Das ist schlimm«, sagte sie. »Habt ihr oft damit zu tun?«
»Immer wieder. Sie kommen von irgendwoher, Europa, Amerika, schnappen sich hier ein paar dumme Jungs, denen ohnehin nichts an den Tieren liegt, und schlachten alles ab, was ihnen vor die Büchse kommt und was sie gewinnbringend verkaufen können. Es ist ihnen egal, wie viel Schaden sie damit anrichten.«
»Trophäenjagd.« Vanessa erinnerte sich daran, dass Boris Kretschmer am Flughafen so etwas gesagt hatte.
»Wenn es nur das wäre.« Kian ging zum Fahrerhaus und öffnete die Tür. »Von der Regierung werden eine gewisse Anzahl Tiere zum Abschuss als Trophäen freigegeben. Das ist für jede Art festgelegt, so dass die Art nicht gefährdet wird. Die Jäger müssen eine Menge dafür bezahlen, dass sie so ein Tier abschießen dürfen. Wilderer gehen einfach hin und schießen wild um sich, ohne Rücksicht auf Verluste. Sie wollen nicht zahlen, sie wollen verdienen.«
Der Hund setzte sich neben den Wagen und schaute Kian erwartungsvoll an.
»Es geht gleich los, Jock«, sagte Kian freundlich zu ihm. Viel freundlicher, als er zu Vanessa gesprochen hatte.
»Kann der Hund sie wirklich finden, die Wilderer?«, fragte Vanessa. Kians freundlicher Ton dem Hund gegenüber schnitt ihr ins Herz. Wie sehr hätte sie sich gewünscht, dass es anders gewesen wäre. Dass sein Gesicht nicht diesen abweisenden Ausdruck getragen hätte, wenn er sie ansah. Dass all die Gefühle, die immer noch warm in ihr ruhten, auch seine Gefühle wären, weil das, woran sie sich erinnerte, kein Traum war, sondern die Wirklichkeit. Ihr gemeinsames Erlebnis. Aber so war es nicht.
Kian lächelte leicht. Seine Lippen verzogen sich zu dem Ausdruck, den sie immer so an ihm geliebt hatte. Der gleichzeitig Stärke und Zärtlichkeit widerspiegelte. »Er kann alles finden. Das ist ein Ridgeback. Sie wurden in Rhodesien zur Löwenjagd gezüchtet und sind genauso mutig.« Er blickte über den Hof in die Savanne hinein. »Außerdem hoffe ich, dass N!xau noch kommt.«
»Wer ist das?« Der Name, den Vanessa nicht
Weitere Kostenlose Bücher