Namibische Nächte (German Edition)
aber das war jetzt vorbei. Es war unmöglich, Isolde zu vergessen, die Vanessa sich jetzt schon mit dickem Bauch vorstellte, an Kians Arm gekrallt, der zufrieden über seine Reproduktionsleistung auf sie hinunterlächelte.
Hatte er Vanessa vielleicht nur deshalb geküsst, weil er es schon geahnt oder sogar gewusst hatte? Weil er noch einmal ausprobieren wollte, wie es war, kein verheirateter Mann zu sein? Oder tat er das öfter, wenn Isolde gerade wieder in anderen Umständen war? Viele Männer hielten sich dann ja anderswo schadlos. Warum nicht auch Kian? Er war ein sehr männlicher Mann. Selbst ein paar Tage ohne Sex erschienen ihm unvorstellbar. Auch darüber hatten sie früher hin und wieder gestritten, obwohl Vanessa seiner Anziehungskraft kaum lange widerstehen konnte, selbst, wenn sie sauer auf ihn war. Es knisterte schon auf einen Kilometer Entfernung zwischen ihnen.
»Nein, das muss ich nicht haben.« Sie ging ins Zimmer zurück, und ihr Blick fiel auf den Minikühlschrank in der Ecke. Schnell trat sie darauf zu und öffnete ihn, nahm eine Dose heraus, drückte sie auf ihre Stirn. Das war nicht so gut wie eine kalte Dusche, aber es musste für den Moment reichen.
Kraftlos ließ sie sich aufs Bett fallen und starrte mit offenen Augen in den spitzen Dachstuhl. So fremdartig und mittlerweile doch schon so vertraut. Ein beschützendes Zelt, in dem sie sich am liebsten verkrochen hätte.
Sich versteckt. Vor Kian. Vor Isolde. Vor dem ganzen verdammten Schlamassel. Der Aufenthalt hier war keine Erholung, es war Folter. Sie hatte gedacht, sie hätte das alles hinter sich gelassen. Vor Jahren schon. Aber nun war es, als ob gar keine Zeit vergangen wäre. Als ob es alles wieder wäre wie damals. Kian und sie, die sich stritten. Kian und Isolde, die in stummem Einvernehmen eine Front gegen Vanessa bildeten. Kian und sie, die sich küssten . . . liebten . . .
Sie schloss die Augen. Erinnerte sich daran, wie sie nach Hause gekommen war und ihr Rücken sie fast umgebracht hatte nach einem langen Tag vor dem Computer. Wie sie ins Bett gegangen war, weil sie nicht mehr sitzen konnte.
Wie Kian ihr nachgekommen war.
»Nicht jetzt, Kian«, hatte sie gequält gestöhnt. »Ich kann jetzt wirklich nicht.«
Und er hatte gelacht. Mit seinem lautlosen Gang, so kraftvoll und geschmeidig wie der eines Raubtiers, war er zu ihr gekommen und hatte sich auf die Bettkante gesetzt, einfach angefangen, sie zu massieren. Seine kräftigen Hände hatten ihr erst weh und dann wohl getan.
Sie hatte so laut gestöhnt, dass sie plötzlich verlegen innehielt und lachen musste. »Was die Nachbarn jetzt wohl denken . . .«
»Hoffentlich das Richtige«, hatte er erwidert und sie verschmitzt auf den Nacken geküsst. »Dass hier zwei Leute Entspannungstherapie machen.«
Wieder musste sie lachen. »Ja, so könnte man es auch nennen. Mhmmm . . .« Sie hatte sich seiner kraftvollen Massage hingegeben.
Nach einer Weile war sie eingeschlafen, während er sie noch massierte. Im Traum spürte sie, wie er neben sie glitt, sich hinter sie legte, sie in die Arme nahm.
Sie hatte sich an ihn gekuschelt, ihr Körper so entspannt, dass sie nicht mehr denken konnte, nur noch seine Wärme spürte, seine Kraft, die ihr so viel Geborgenheit gab.
Er hatte nichts getan, sie einfach nur gehalten. Sie hatte eigentlich erwartet, dass er nun, da sie ihrs gehabt hatte, seins fordern würde, aber das tat er nicht. Er war manchmal so rücksichtsvoll, dass es sie fast schon erschreckte. Auf der anderen Seite konnte er so ein Macho sein, so gnadenlos über alles hinweggehen, was für sie wichtig war, dass sie ihn geradezu hasste. Er war eine merkwürdige Mischung.
Eine sehr anziehende Mischung. Wie sehr auch immer sie ihn aus ihrem Leben ausgeblendet hatte, sie hatte sich nur eingebildet, dass Ausblenden dasselbe war wie aus der Erinnerung löschen. Das war es nicht. Da war immer das gewesen, was sie von Anfang an zueinander hingezogen hatte. Eine magnetische Anziehungskraft, die sie schon bei ihrer ersten Begegnung damals dazu veranlasst hatte, ihn mitzunehmen, statt ihn auf dem IKEA-Parkplatz stehen zu lassen.
Sie wusste, dass es nicht mehr so war wie damals. Damals hatte sie nichts von Isolde gewusst, und ganz sicher hatte sie sich nicht vorstellen können, dass Kian ein paar Jahre später mit vier Kindern von ihr dastehen würde.
Sie öffnete die Büchse, trank einen Schluck von dem Saft und setzte sich ins Bett. Hinausschauen konnte sie nicht, weil sie die
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