Namibische Nächte (German Edition)
austrocknen.«
Sie stand da und wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte ja schon auf dem Herflug gehört, dass Tiere verdursteten, aber wenn es Kians Tiere waren, schien es noch wieder etwas anderes zu sein. Sie schluckte. »Das tut mir leid.«
»Vielleicht regnet es ja noch.« Er atmete tief durch. »Was das Schlimmste ist: Diese Wasserknappheit erleichtert den Wilderern die Arbeit. Die Tiere müssen zu den wenigen Wasserlöchern kommen, um zu trinken. Und die Kerle liegen schon auf der Lauer und warten auf sie. Ich lasse alle Wasserlöcher auf der Farm bewachen, aber meine Männer können nicht überall sein. Die Farm ist einfach zu groß.«
Ohne darüber nachzudenken, legte sie ihre Hand auf seinen Arm, weil seine Stimme trotz aller Beherrschung so verzweifelt klang. Sie zuckten beide zusammen, als hätte sie der Blitz getroffen. Vanessa zog ihre Hand schnell wieder zurück. Die Handfläche kribbelte, eine Gänsehaut zog ihren Arm hinauf, und nicht nur dort. Sie spürte es am ganzen Körper bis hin zu ihren Brüsten.
Er stand da, direkt neben ihr, und sie konnte nichts tun, als sich mit ihm zu unterhalten. Sie konnte nichts tun, als jede Berührung zu vermeiden, obwohl sie das Gegenteil wollte.
Sie entfernte sich ein paar Schritte von ihm. »Gibt es hier irgendwo Kaffee?«
Er nickte, obwohl es schien, dass er Stunden dafür brauchte. »Dahinten ist ein Coffee Shop.«
Wie unterschiedlich man die Dinge doch wahrnimmt, dachte Vanessa, als sie am Nachmittag auf die Farm zurückfuhren. Am ersten Tag war alles exotisch und neu, bei der Fahrt in der Ambulanz nach Windhoek erschien es auf einmal vertraut, und nun spiegelt es einfach nur den Verlust wider.
Sie betrachtete die Straßenränder, die an ihnen vorbeizogen und hier in der Nähe von Windhoek viel grüner waren als auf der Farm. Jeder karge Grashalm, jeder trockene Baum oder Strauch stand einzeln für sich und hatte Charakter. Vielleicht, weil vor Lebenskraft und Wasser berstende grüne Wälder hier unbekannt waren. Alles, was hier wuchs, war ein Zeichen für den Überlebenskampf, den Mensch, Tier und Pflanze in einem Land, in dem Wasser eine Kostbarkeit war, auszufechten hatten.
Wie einfach war es doch in Europa, eine Pflanze zum Blühen zu bringen. Wasser gab es genug, die fehlende Sonne konnte man durch entsprechende Pflanzenlampen ersetzen, wenn es zu wenig Licht gab, die Erde war dunkel und schwer vor Nährstoffen.
Was für ein Gegensatz zu all dem Sand, der Savanne, dem Busch. Viel anpflanzen konnte man hier nicht. Dafür bot die Landschaft jene unbeschreibliche Weite, die Kian in Deutschland so vermisst hatte.
»Veldbrand.« Isolde hob eine Hand vom Lenkrad und zeigte nach vorn.
Kian nickte. »Es ist einfach zu trocken.«
Vanessa sah ein Stück vor ihnen Rauchwolken aufsteigen, hin und wieder flammte etwas hoch. Es schien, als ob es direkt an der Straße brennen würde. Es sah beängstigend aus.
»Fahren wir da durch?«, fragte sie.
Isolde schaute Kian an. »Was meinst du?«
Er schien zu überlegen. »Sieht so aus, als wäre die Pad noch frei. Wenn das Feuer nicht überspringt . . .«
»Ja, wenn.« Isolde wirkte unentschlossen, aber sie fuhr weiter, wenn auch etwas langsamer als zuvor.
Die Rauchwolken verdichteten sich vor ihnen immer mehr, auch die Flammen waren deutlich zu sehen. Der ganze Busch brannte.
»Gibt es keinen anderen Weg?«, fragte Vanessa.
Isolde drehte sich kurz zu ihr um. »Wir wissen nicht, wie weit sich das Feuer ausgebreitet hat. Wir könnten zurückfahren –«
Kian schüttelte den Kopf. »Nein. Ich denke, es ist zu schaffen.«
Isolde verzog die Mundwinkel. »Das denkst du immer.«
»Und meistens habe ich Recht.« Er blickte sie auffordernd an.
»Na gut.« Isolde trat aufs Gas, und im selben Moment, als sie losschossen, flog ein dunkler Schatten über sie hinweg und landete auf der anderen Seite.
Vanessa sah gerade noch, wie eine große Antilope mit langen Hörnern im Busch verschwand. »Ist die über uns drüber –?« Aber sie konnte die Frage nicht beenden, denn in diesem Augenblick rasten sie durch die Rauchwolke.
Alles um sie herum wurde schwarz, der Qualm drang in den Wagen ein, Vanessa hatte das Gefühl zu ersticken. Sie hustete, ihre Augen brannten, sie konnte nichts mehr sehen. Sie fragte sich, wie Isolde noch fahren konnte. Sie musste doch praktisch blind sein.
Dann aber konnte sie sich nichts mehr fragen. Sie wurde ohnmächtig.
Als sie erwachte, standen sie neben der Pad. Alle Türen des
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