Namibische Nächte (German Edition)
konnten«, sagte er. »Dass unser Streit damals nicht bis an unser Lebensende das Letzte sein wird, woran wir uns erinnern.«
»Ja.« Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme weich klang und ihre Augen ihn zärtlich und gleichzeitig gequält anblickten. »Das war schrecklich. Über die Jahre . . . Ich habe so viel an dich gedacht.«
»Ich auch.« Seine Mundwinkel zuckten. »Ich dachte, du bist froh, mich Macho los zu sein. So hast du es jedenfalls gesagt.«
»Es tut mir leid, was ich gesagt habe.« Vanessa schluckte.
»Mir auch«, erwiderte er. »Ich wusste wirklich nicht mehr, was ich tun sollte. Ich wollte so sehr der Mann sein, den du dir wünschst. Aber das bin ich offensichtlich nicht.«
Doch, das bist du, dachte sie. Du, und nur du. Es gibt keinen anderen außer dir. »Manchmal reicht es nicht aus«, sie schluckte erneut. Der Frosch in ihrem Hals wollte einfach nicht verschwinden, »wenn man sich etwas wünscht.«
Alles, was sie sich wünschte, war er. Aber sie hätte sich genauso gut den Mond wünschen können.
»Es kommt so oft so anders, als man denkt«, sagte er. »Wenn man alles voraussehen könnte . . .«
»Wer weiß, ob wir dann glücklicher wären.« Sie versuchte, zuversichtlich zu lächeln, aber es gelang ihr nicht. Sie fühlte sich nicht zuversichtlich. Alles erschien auf einmal grau. Sie liebten sich, sie hatten sogar die Stärke in sich gefunden, sich gegenseitig zu vergeben – es war wie das Ende einer Liebesgeschichte, in der nun das Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage hätte folgen müssen.
Doch das war ausgeschlossen. Es war das Ende einer Liebesgeschichte, ja, aber es lagen keine glücklichen Tage vor ihnen, die sie gemeinsam verbringen würden, bis sie alt und grau waren. Es lag überhaupt keine Zukunft vor ihnen. Die Zukunft war, dass Vanessa nach Deutschland zurückfliegen und Kian hierbleiben würde, bei seiner Familie, wo er hingehörte.
Sie räusperte sich. »Ich glaube, es ist am besten, ich fahre jetzt.«
»Sollte ich dir nicht noch den Weg aufzeichnen?« Er schaute sie fragend an.
»Ich finde ihn schon.« Sie konnte nicht mehr länger hierbleiben, dann würde sie in Tränen ausbrechen. »Andrea hat Recht. Es ist nicht schwer.« Ihr Herz pochte laut, weil es mit aller Kraft die Gefühle unterdrücken musste, die sie zu überwältigen drohten.
Sie drehte sich um und hielt sich gerade noch zurück, wie die von den Wilderern aufgescheuchten Tiere in rasender Geschwindigkeit davonzulaufen.
Ihre Schritte hallten in schneller Abfolge in der Station wider und entfernten sich immer mehr, bis sie nicht mehr zu hören waren.
19
A m nächsten Morgen fuhr sie mit Kaunadodo zusammen ins Krankenhaus. In der letzten Nacht hatte sie nicht gut geschlafen. Sie hatte das Gefühl, sie hätte überhaupt nicht geschlafen. Ihre Gedanken kreisten ständig um Kian, um die Zärtlichkeit, die gestern fast greifbar im Raum geschwebt hatte, um ihrer beider Sehnsüchte, die so unerfüllbar waren.
Als Kaunadodo und Andrea in aller Herrgottsfrühe aufstanden, hatte sie sich ihnen angeschlossen.
»Wir hatten schon Angst, du findest das Haus nicht«, bemerkte Andrea freundlich. »Du bist sehr spät gekommen.«
»Ja, tut mir leid. Habe ich euch geweckt?« Vanessa zog schuldbewusst die Stirn kraus. »Ich habe mich verfahren.«
»Hat Kian dir den Weg nicht beschrieben?«
Vanessa schüttelte den Kopf. »Ich . . . wir . . . ich habe es vergessen.«
Andrea lachte. »Dann ist es ja ein Wunder, dass du das Haus überhaupt gefunden hast!« Sie schaute Kaunadodo an. »Das nur zum weiblichen Orientierungssinn. Sie hat es auch ohne Plan geschafft.«
»Glückwunsch.« Kaunadodo grinste ein wenig.
»Männer!« Andrea winkte ab. »Halten sich für die Größten überhaupt. In jeder Beziehung.« Sie funkelte Kaunadodo an, aber dann wandelte sich ihr Gesichtsausdruck, sie ging zu ihm und gab ihm schnell einen Kuss auf den Mund. »Aber was soll man machen?«
»Ja, was soll man machen?«, murmelte Vanessa. Es klang wie eine Bestätigung, aber sie meinte etwas anderes als Andrea.
Nachdem Andrea das Frühstück vorbereitet hatte, weckte sie die Kinder, und nach dem Frühstück fuhr sie sie zur Schule, während Vanessa zu Kaunadodo in den Wagen stieg.
Sie war während der Fahrt sehr schweigsam, was Kaunadodo nicht zu stören schien. Er hing seinen eigenen Gedanken nach.
Sie wusste eigentlich nicht, was sie im Krankenhaus wollte. Oder ja, sie wusste es, aber es war unvernünftig. Es wäre
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