Namibische Nächte (German Edition)
rufend hinterher, um sie wieder einzufangen.
Meistens waren es drei, vier oder sogar fünf Hunde, von sehr großen Hunden bis zu kleinen Terriern in einer einzigen Gruppe, die zu einem Haushalt gehörten, wie Kian ihr erklärt hatte. Sie hatte angenommen, es wäre so ein Hundeausführservice, der Hunde von verschiedenen Besitzern einsammelte.
»Die Leute wollen, dass die Hunde Einbrecher abschrecken«, erläuterte er. »Sie laufen den ganzen Tag im Hof herum, wenn die Besitzer abwesend sind. Bis auf wenige Ausnahmen sind die Hunde aber völlig harmlos. Sie machen nur einen fürchterlichen Krach, wenn sich jemand dem Haus nähert.«
Das hatten sie selbst schon erfahren, als sie die Straße hinuntergegangen waren, um zum Rivier zu kommen. An jedem Haus, an dem sie vorbeikamen, kläfften und bellten Hunde sie an, rasten hinter dem Tor oder der Mauer hin und her. Namibia war definitiv ein Hundeland. Jeder schien einen zu haben. Mehr als einen.
Über viel mehr als Hunde hatten sie jedoch nicht gesprochen. Sie vermieden jedes persönliche Thema, sie berührten sich nicht einmal. Und dann waren sie zum Krankenhaus zurückgekehrt, Isolde war gekommen, und sie waren abgefahren.
Nun waren sie zurück, Isolde kümmerte sich mit den Küchenmädchen um die Vorbereitung des Abendessens, und Kian besprach mit seinem Arbeiter irgendetwas für die Farm Wichtiges. Vanessa schien er vergessen zu haben.
»Vanessa! Wo warst du die ganze Zeit? Du warst ja wie vom Erdboden verschluckt.« Steffen kam auf sie zu. Er trug die Strandhose, die Vanessa sich vorgestern – war das erst vorgestern gewesen? – von ihm geliehen hatte, und sah albern darin aus.
»Ich war in Windhoek«, sagte sie.
»Da hätten wir doch zusammen hinfahren können«, beschwerte er sich.
»Es hat sich so ergeben. Es war nicht geplant.« Sie fühlte sich furchtbar müde und erschöpft. Sie wollte nur noch schlafen.
»Du weichst mir aus.«
Ach, wie hatte er das denn gemerkt? »Ich war nicht hier«, sagte sie. »Wie kann ich dir da ausweichen?«
»Ich weiß, ich –« Er räusperte sich. »Ich habe mich nicht gut benommen.« Seine Mundwinkel verzogen sich schief. »Ich war so überwältigt von deiner Gegenwart.« Er lachte. »Von deiner – wie du zugeben musst – nicht sehr bedeckten Gegenwart.«
»Ich musste duschen«, sagte sie. »Und das muss ich jetzt auch. Aber allein«, fügte sie hinzu, als sie seinen Blick sah. Sie waren mittlerweile vor ihrem Rondavel angekommen.
Er machte ein enttäuschtes Gesicht. »Kann ich mich denn nie mal mit dir unterhalten?«
Sie schaute ihn amüsiert an. »Du willst dich doch gar nicht unterhalten.«
»Na ja«, gab er zu. »Ich würde auch gern mit dir schlafen. Kannst du mir das verdenken? Ist wirklich schon eine ganze Weile her.«
»Mir kommt es gar nicht so lang vor«, sagte sie. »Aber wie auch immer. Ich muss mich jetzt ausruhen. Die Fahrt von Windhoek hierher war anstrengend. Wir sind blind durch einen Buschbrand gerast, und eine Antilope ist übers Auto gesprungen.«
Er starrte sie mit weit geöffneten Augen an. »Hast du hier einen Action-Urlaub gebucht? Jeden Tag ein gefährliches Erlebnis garantiert?«
Sie musste fast lachen. Ja, aus seiner Sicht musste es so erscheinen. »Nein«, sagte sie und schüttelte den Kopf. »Irgendwie liegt das wohl an Namibia. Hier passiert eben viel mehr als in Frankfurt.«
»Mir ist bis jetzt noch nichts passiert«, beklagte er sich selbstmitleidig. »Ich habe gerade mal den Game Drive gemacht. Ansonsten ist es ziemlich langweilig. Ich weiß nicht, warum du unbedingt hier her wolltest.«
Nein, das weißt du wirklich nicht, dachte sie. Ihre Ungeduld wuchs. Sie fühlte es wie ein unbehagliches Kribbeln. Warum ließ er sie nicht einfach in Ruhe? »Ich muss jetzt duschen«, entgegnete sie abweisend. »Und dann würde ich mich gern noch etwas ausruhen vor dem Abendessen.«
»Essen wir dann wenigstens zusammen?«, fragte er.
Sie seufzte. »Es ist ein großer Tisch. Jeder kann sitzen, wo er will.«
Ein zufriedenes Lächeln überzog sein Gesicht. »Soll ich dich abholen?«
Sie hob die Augenbrauen. »Das ist wirklich nicht nötig«, sagte sie und verschwand im Haus.
Wer auch immer die Dusche repariert hatte in Kians Abwesenheit, sie funktionierte wieder.
Als sie danach im Bademantel aufs Bett fiel, war sie eingeschlafen, noch ehe ihr Kopf das Kissen berührte.
20
B evor sie am nächsten Morgen zum Frühstück ans Buffet ging, schaute sie vorsichtig um die Ecke. Sie atmete auf.
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