Naminé - Liebe Deinen Feind
und riss sich zusammen, um nicht erneut zu weinen. Nein. Sie wollte nicht mehr weinen. Sie wollte endlich stark sein. »Na, Naminé? Wie geht es Euch?«, fragte Charlie und kam auf sie zu. »Oh, ja, mir geht es gut und selbst?«, sagte sie fröhlich zu ihm und verscheuchte ihre traurigen Gedanken.
Charlie nickte. »Wie ich sehe, ist Sias schon nach unten gegangen.« - »Ja. Wahrscheinlich will er sich nur ein wenig hinlegen«, vermutete die Waldelbin und betrachtete den Sonnenuntergang. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie schnell die Sonne heute hinter dem Horizont verschwand. Im Allgemeinen verging die Zeit auf dem Schiff schneller als für gewöhnlich.
»Er war noch nie besonders einfach gewesen«, sagte der Kapitän plötzlich. »Ja, das habe ich auch schon mitbekommen. Wahrschei nlich sind alle Elbenjäger so.« Charlie sah sie kurz schief an. »Ich habe eine Frage an Euch. Bitte versteht diese nicht falsch, aber: Ihr seid selber eine Waldelbin. Warum reist Ihr mit Sias mit?« Naminé sah ihn verschreckt an. »Ich? Eine Waldelbin? Wie kommt Ihr darauf. Ich bin eine Hochelbin, sieht man das etwa nicht!«, sagte sie und versuchte, die Frage hinunter zu spielen.
Der Kapitän kniff leicht die Augen zusammen. »So, eine Hochelbin. Dafür seht Ihr einer Waldelbin aber ziemlich ähnlich und Ihr tragt die Kleidung dieses Volkes. Ist das auch nur ein Zufall?«, fragte er sie und Naminé fühlte sie plötzlich unbehaglich und wich einige Schritte von ihm zurück. »Ich bin an der Grenze zum Waldelbenreich aufgewachsen, deswegen trage ich diese Kleider. Mir gefällt die Art der Kleidung und der Stoff ist viel feiner gearbeitet als der von Hochelben«, versuchte sie sich rauszureden. Sie musste schwer schlucken.
Charlie sagte eine Weile nichts zu ihr. Sollte er ihr glauben? Er wusste, dass sie log, das war offensichtlich, doch sollte er es diesem Mädchen verraten oder ihr die Lüge lassen? Er runzelte die Stirn.
»Wenn das so ist, sind meine Bedenken unbegründet. Ich dachte schon, Sias Augen lassen langsam nach«, witzelte er und schlug der Waldelbin auf die Schultern. Als er weg war, seufzte sie tief aus und strich sich einige Haare aus dem Gesicht. Gerade noch rausgeredet.
***
Die Crew, Charlia, Sias und Naminé saßen unter Deck und aßen im Aufenthaltsraum zu Abend. Es war ein karges Mahl: Bohneneintopf mit undefinierbaren Gemüsestückchen, die die Elbin nicht einmal am Geschmack erkennen konnte.
Sie aß es stumm, während die Crew sich lautstark unterhielt und lachte. Sias saß am anderen Ende des Tisches und vollzog sein Mahl ebenfalls schweigend. Keiner der Matrosen beachtete ihn, worüber er froh war. Als er das letzte Mal mit auf der ‘ Morgenstern ‘ gereist war, hatte er sich schon einen Namen unter der Crew gemacht und dass er in Ruhe gelassen werden wollte, war bekannt. Als er zu Ende gegessen hatte, schob er seinen Teller zur Seite und lehnte sich ein wenig zurück.
Er sah sich kurz im Raum um. Der Aufenthaltsraum war nicht gerade groß. Alle hatten gerade so Platz, denn der Tisch und die Sitzbänke füllten alles aus. An der Wand hing ein Gemälde, das eine Insel zeigte. Sias erinnerte die Insel vage an die Mondschein-Insel im Westmeer.
Plötzlich lachte Charlie laut und riss Sias aus den Gedanken. »Du bist und bleibst ein Spaßvogel, Bernd!«, sagte dieser und schlug den Matrosen links von ihm gewaltig auf den Rücken. Dieser lächelte gequält. Charlie fiel Sias Blick auf. »Und, findest du nicht, Sias?«, sagte er nun zu dem Elbenjäger gewandt. Sias nickte knapp. Er wusste zwar nicht, um was es ging, doch es war meistens nie verkehrt, einfach zu nicken.
Bernd sah flüchtig zu Sias und dann zu Naminé. Die Elbin wirkte abweisend. »Darf ich ein wenig mit dir an Deck spazieren gehen?«, fragte der Matrose die Waldelbin plötzlich und diese sah auf. »Meinst du mich?« Bernd nickte. »Natürlich. Es ist ja sonst niemand so bezauberndes hier auf diesem Schiff.« Naminé wurde leicht rot und stand nickend auf. »Gerne.« Er benahm sich ganz anders als der Matrose in Dunac. Vielleicht waren nicht alle so aufdringlich. Sias sah Bernd und der Elbin kurz nach.
Als sich die Tür zu dem Raum schloss, sagte Charlie zu ihm: »Ich hoffe, du hast nichts dagegen, wenn Bernd sich ein wenig um sie kümmert.« Sias sah ihn fragend. »Wieso sollte ich? Sie ist nicht meine Gefährtin«, sagte er und klang gleichgültig. »Ach? Wenn ich mit so einer hübschen Frau auf Reisen
Weitere Kostenlose Bücher