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Naokos Laecheln

Naokos Laecheln

Titel: Naokos Laecheln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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meine Möse‹.«
    »Warum denn das?« fragte ich entgeistert.
    »Irgendwie wollte ich ihm was zeigen. Schließlich stamme ich zur Hälfte von seinem Samen ab, oder nicht? Warum sollte ich mich ihm dann nicht zeigen? Das ist deine Tochter. Allerdings war ich auch ein bißchen betrunken.«
    »Aha.«
    »Als meine Schwester reinkam, hat sie fast der Schlag getroffen. Kein Wunder, wo ich doch nackt und mit gespreizten Beinen vor dem Bild unseres Vaters saß.«
    »Wirklich kein Wunder.«
    »Dann hab ich ihr den Grund erklärt. Komm, Momo, hab ich gesagt, zieh dich auch aus, und wir beide zeigen uns Papa zusammen. Aber sie wollte nicht und ist empört abgerauscht. In solchen Dingen ist sie sehr konservativ.«
    »Ich würde eher sagen, relativ normal.«
    »Sag mal, Tōru, wie fandest du denn meinen Vater?«
    »Ich bin kein besonders guter Menschenkenner und kann Leute beim ersten Mal nicht gut einschätzen, aber es war mir nicht unangenehm, mit ihm allein zu sein. Ich hab mich mit ihm ganz wohl gefühlt, und wir haben uns über alles mögliche unterhalten.«
    »Über was denn?«
    »Euripides.«
    Midori lachte richtig fröhlich. »Du bist wirklich ein komischer Kauz. Wer unterhält sich schon mit einem todkranken Mann, dem er vorher nie begegnet ist, über Euripides?«
    »Na und, welche Tochter sitzt schon nackt und mit gespreizten Beinen vor dem Foto ihres Vaters?«
    Midori mußte kichern und läutete das Glöckchen am Altar. »Gute Nacht, Papa. Wir amüsieren uns jetzt ein bißchen. Schlaf gut und mach dir keine Sorgen. Du mußt ja nicht mehr leiden, wo du doch jetzt tot bist, oder? Falls du noch Schmerzen hast, mußt du dich bei den Göttern beschweren. Sag ihnen, das wäre gemein. Hoffentlich begegnest du Mama im Himmel, und ihr schiebt eine ordentliche Nummer. Ich hab deinen Pimmel gesehen, wenn ich dir beim Pinkeln geholfen habe. Ganz schön eindrucksvoll. Also streng dich an. Gute Nacht.«
    Wir nahmen nacheinander ein Bad und zogen uns Schlafanzüge an, ich einen kaum getragenen von ihrem Vater, der zwar ein bißchen zu klein war, aber besser als nichts. Midori breitete meinen Futon in dem Zimmer aus, in dem der Altar stand.
    »Du hast doch keine Angst, vor dem Altar zu schlafen?«
    »Nein, ich habe ja nichts Böses getan«, sagte ich und lachte.
    »Aber du hältst mich im Arm, bis ich eingeschlafen bin, ja?«
    »Ja, versprochen.«
    Während ich Midori im Arm hielt, fiel ich fast über die Kante ihres schmalen Betts. Midori drückte ihre Nase gegen meine Brust und hatte die Hände auf meine Hüften gelegt. Ich hielt sie mit dem rechten Arm umschlungen, wobei ich mich mit der linken Hand am Bettrand festhielt, um nicht abzustürzen. Zumindest würde diese Haltung mich nicht gerade zu sexueller Erregung provozieren. Meine Nasenspitze ruhte auf Midoris Kopf, und ihre kurzen Haare kitzelten mich ab und zu.
    »Komm, erzähl mir was«, sagte Midori, das Gesicht in meiner Brust vergraben.
    »Was denn?«
    »Irgendwas, damit ich mich wohl fühle.«
    »Du bist sehr hübsch.«
    »Midori«, sagte sie. »Du mußt meinen Namen dazu sagen.«
    »Du bist sehr hübsch, Midori«, berichtigte ich mich.
    »Was heißt ›sehr hübsch‹?«
    »So hübsch, daß die Berge einstürzen und das Meer austrocknet.«
    Midori hob den Kopf und sah mich an. »Du kannst dich wirklich einmalig ausdrücken.«
    »Deine Worte wärmen mir das Herz«, lachte ich.
    »Sag etwas noch Netteres.«
    »Ich hab dich sehr gern, Midori.«
    »Wie sehr?«
    »So gern wie ein Frühlingsbärchen.«
    »Ein Frühlingsbärchen?« Midori hob wieder den Kopf. »Was ist das, ein Frühlingsbärchen?«
    »Du gehst im Frühling allein im Feld spazieren und begegnest einem niedlichen Bärchen mit blanken Augen und einem samtweichen Pelz. Das Bärchen sagt zu dir: ›Hallo, schönes Fräulein, wollen wir nicht ein wenig zusammen herumtollen?‹ Und du tummelst dich den ganzen Tag mit dem Bärchen auf dem kleebedeckten Hügel. Ist das nicht schön?«
    »Ja, sehr schön.«
    »Und so sehr mag ich dich.«
    Midori schmiegte sich an meine Brust. »Mehr geht nicht«, sagte sie. »Wenn du mich so sehr magst, machst du dann auch alles, was ich sage? Und wirst nicht wütend?«
    »Nein, natürlich nicht.«
    »Und wirst du dich immer um mich kümmern?«
    »Natürlich«, sagte ich. Ich streichelte ihr kurzgeschnittenes, jungenhaftes Haar. »Mach dir keine Sorgen. Alles wird gut.«
    »Aber ich hab solche Angst«, sagte Midori.
    Ich hielt sie sacht im Arm, und bald hoben und senkten sich ihre

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