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Naokos Laecheln

Naokos Laecheln

Titel: Naokos Laecheln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Besonderes kundzutun gehabt hätte, aber die Mädchen waren so hingerissen von seinem Charme, daß sie zuviel tranken, betrunken wurden und schließlich mit ihm ins Bett gingen. Wahrscheinlich fühlten sie sich einfach wohl in der Gesellschaft eines derart gutaussehenden, aufmerksamen und intelligenten Mannes. Das Verblüffende daran war, daß sein Abglanz auf mich fiel und die Mädchen mich für einen ebenso faszinierenden Mann zu halten schienen. Wenn ich, von Nagasawa ermutigt, etwas von mir gab, reagierten die Mädchen mit dem gleichen verzückten Gelächter wie bei ihm – alles dank Nagasawas Zauberkraft. Seine Ausstrahlung, mit der verglichen Kizukis Gesprächsbegabung infantil anmutete, war überwältigend. Hier ging es um ein ganz anderes Niveau. Doch trotz meiner Bewunderung für Nagasawas Talent sehnte ich mich nach Kizuki. Ich dachte immer wieder daran, was für ein redlicher Mensch er gewesen war. Im Gegensatz zu Nagasawa, der seinen überragenden Charme spielerisch in alle Richtungen versprühte, hatte Kizuki sein bescheidenes Talent nur für Naoko und mich reserviert. Nagasawa lag im Grunde gar nichts daran, mit diesen Mädchen, die er aufriß, zu schlafen. Auch das war nur ein Spiel für ihn.
    Mir selbst bereitete es kein sonderliches Vergnügen, mit Mädchen zu schlafen, die ich nicht kannte. Ich konnte zwar meinen Triebstau abreagieren und will auch nicht leugnen, daß es mir Spaß machte, die Mädchen zu umarmen und überall zu befummeln, aber der Morgen danach war mir stets ein Greuel. Beim Aufwachen schlief ein fremdes Mädchen neben mir. Das Zimmer roch nach Alkoholausdünstungen. Das Bett, die Beleuchtung, die Gardinen und einfach alles sah nach billiger Absteige aus. Ich hatte einen Kater, und mein Kopf war noch vom Alkohol benebelt. Wenn das Mädchen dann aufgewacht war, suchte es seine Unterwäsche zusammen und sagte beim Anziehen seiner Strümpfe vielleicht: »Sag mal, hast du letzte Nacht eigentlich aufgepaßt? Es war nämlich mein gefährlichster Tag.« Vor dem Spiegel sitzend, jammerte sie über ihre Kopfschmerzen oder darüber, daß sie ihr Make-up nicht hinkriegte, während sie sich die Lippen schminkte oder die falschen Wimpern anklebte. Das alles war mir verhaßt. Am liebsten hätte ich mich vor dem Morgengrauen davongemacht, aber es war unmöglich, die mitternächtliche Sperrstunde des Wohnheims einzuhalten, wenn man ein Mädchen verführen wollte. Darum besorgte ich mir jedesmal beim Leiter eine Genehmigung, auswärts zu übernachten, und mußte also bis zum Morgen ausharren, um dann desillusioniert und voller Selbsthaß in mein Zimmer zurückzukehren. Das Tageslicht blendete mich entsetzlich, mein Mund fühlte sich an, als hätte ich löffelweise Sand gegessen, und mein Kopf schien nicht mein eigener zu sein.
    Nachdem ich drei- oder viermal ein Mädchen auf diese Weise abgeschleppt hatte, fragte ich Nagasawa, ob ihm das nach siebzigmal nicht öde vorkäme.
    »Wenn du es öde findest, beweist das nur, daß du ein anständiger Mensch bist«, antwortete er. »Das freut mich für dich. Man hat absolut nichts davon, wenn man mit einer fremden Frau nach der anderen schläft. Es erschöpft einen nur, und man verabscheut sich. So geht’s mir auch.«
    »Aber warum tust du’s dann?«
    »Schwer zu sagen. Du kennst doch die Geschichte von Dostojewski über den Spieler. So ähnlich kommt es mir vor. Angesichts unzähliger Gelegenheiten zu verzichten, fällt eben unheimlich schwer. Verstehst du, was ich meine?«
    »So ungefähr.«
    »Siehst du, die Sonne geht unter, und die Mädchen schwärmen aus, auf der Suche nach etwas, das ich ihnen geben kann. So einfach ist das, so einfach wie einen Wasserhahn aufzudrehen und zu trinken. Ehe sie noch piep sagen können, hab ich sie schon im Bett. Wie sie es erwarten. Das meine ich mit Gelegenheit. Warum untätig vorbeigehen, wenn man die Gelegenheiten vor der Nase hat? Man verfügt über gewisse Fähigkeiten und die Möglichkeit, sie zu nutzen. Oder kannst du so was stumm an dir vorbeiziehen lassen?«
    Ich mußte lachen. »Weiß ich nicht, ich war noch nie in einer solchen Lage. Kann ich mir auch gar nicht vorstellen.«
    »Da hast du ja Glück«, sagte er.
    Daß Nagasawa trotz seiner wohlhabenden Eltern im Wohnheim lebte, hatte mit seiner Veranlagung zum Schürzenjäger zu tun. Aus Sorge, er würde nur noch hinter Frauen her sein, wenn er allein in Tōkyō lebte, hatte sein Vater ihn dazu verdonnert, die gesamten vier Studienjahre im Wohnheim zu

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