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Naokos Laecheln

Naokos Laecheln

Titel: Naokos Laecheln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Sonnenuntergang war es im Wohnheim so still wie in einer verlassenen Ruine. Die Flagge war eingeholt, die Fenster der Kantine waren nur schwach erleuchtet, denn wegen der wenigen Studenten wurde jetzt nur noch die Hälfte der Lampen eingeschaltet. Die rechte Hälfte blieb dunkel, die linke war hell. Essensgeruch drang zu mir hinauf. Es roch nach Frikassee.
    Ich nahm das Kaffeeglas mit dem Glühwürmchen mit aufs Dach. Dort war sonst niemand. Ein vergessenes weißes Hemd hing an der Wäscheleine wie eine abgeworfene Haut und wehte im Abendwind. Ich kletterte die Metalleiter an der einen Seite des Daches hinauf zum Wassertank. Der zylindrische Tank war noch warm von der Sonne, die ihn den Tag über aufgeheizt hatte. Ich ließ mich in einer Ecke nieder, lehnte mich gegen das Geländer und betrachtete den fast vollen, weißen Mond. Rechts von mir funkelten die Lichter von Shinjuku, links die von Ikebukuro. Die Scheinwerfer der Autos flossen als glitzernde Lichterströme von einem Zentrum zum anderen, und gedämpftes Motorengebrumm hing wie eine Wolke über der Stadt.
    Das Glühwürmchen glomm auf dem Boden des Glases, aber sein Licht war schwach und seine Farbe blaß. Es war schon lange her, daß ich zum letzten Mal Glühwürmchen gesehen hatte, aber nach meiner Erinnerung hatten sie die sommerliche Dunkelheit viel kräftiger erleuchtet. Nach meiner Vorstellung hatte von einem Glühwürmchen ein starkes, intensives Leuchten auszugehen.
    Vielleicht war dieses Glühwürmchen aber zu geschwächt und würde bald sterben. Ich schüttelte das Glas ein paarmal. Das Glühwürmchen schlug gegen die Glaswand und flog kurz auf. Aber sein Licht blieb trübe.
    Ich überlegte, wann ich zuletzt Glühwürmchen gesehen hatte. Wo war das nur gewesen? Ich sah die Szene deutlich vor mir, konnte mich aber weder an die Zeit noch an den Ort erinnern. Im Dunkeln war das Rauschen von Wasser zu hören gewesen. Auch eine alte Schleuse aus Backstein hatte es gegeben. Mit einer Kurbel konnte man sie öffnen und schließen. Sie regulierte nicht einen Fluß, nur einen kleinen Bach, dessen Ufer im Gras verschwanden. Es war so dunkel, daß ich meine eigenen Füße nicht sah, wenn ich die Taschenlampe ausschaltete. Hunderte von Glühwürmchen tanzten über dem von der Schleuse gestauten Wasser. Die Lichtpunkte, die sich in der Wasserfläche spiegelten, erweckten den Anschein, sie stünde in Flammen.
    Ich schloß die Augen, um für einen Augenblick ganz in dieses Dunkel meiner Erinnerung einzutauchen. Das Rauschen des Windes war deutlicher zu hören als gewöhnlich. Auch wenn es kein sehr starker Wind war, der da an mir vorüberstrich, so hinterließ er im Dunkel doch wundersam leuchtende Bahnen. Als ich die Augen wieder aufschlug, hatte sich die Dunkelheit der Sommernacht noch vertieft.
    Ich öffnete den Deckel des Glases, nahm das Glühwürmchen heraus und setzte es auf den etwa zwei Finger breiten Rand des Tanks. Anscheinend wußte das Glühwürmchen nicht recht, wie ihm geschah, es krabbelte um eine Schraube herum und mühte sich über die Splitter von abblätternder Farbe hinweg. Erst marschierte es nach rechts, bis es dort nicht weiterkam, und machte wieder im Bogen kehrt. Schließlich gelang es ihm mit einiger Anstrengung, die Schraube zu erklimmen, wo es eine Zeitlang reglos hockte, als hätte es seinen letzten Atemzug getan.
    Immer noch an das Geländer gelehnt, beobachtete ich das Glühwürmchen. Keiner von uns beiden rührte sich. Nur der Wind strich über uns hinweg und brachte in der Dunkelheit das dichte Blattwerk des Keyakibaumes zum Rascheln.
    Ich wartete.
    Eine Ewigkeit schien vergangen zu sein, als das Glühwürmchen endlich aufflog. Als sei ihm ganz plötzlich etwas eingefallen, spreizte es die Flügel und schwirrte über das Geländer in die fahle Dunkelheit davon. Wie um verlorene Zeit aufzuholen, schoß es in einem hastigen Bogen am Rand des Tanks entlang, verweilte dort kurz, wie um abzuwarten, bis seine Lichtspur sich in der Brise aufgelöst hatte, und flog in Richtung der Stadt davon.
    Auch nachdem der Schein des Glühwürmchens längst erloschen war, blieb seine Lichtspur in mir zurück. Ein trübes, bescheidenes Glimmen im dichten, undurchdringlichen Dunkel, wie ein verirrter Geist auf ewiger Wanderschaft. Immer wieder versuchte ich, dieses Leuchten zu berühren, doch meine Hände griffen stets ins Leere. Das matte Leuchten schien nichts als ein Irrlicht zu sein.

4. Kapitel
    Irgendwann in den Sommerferien rief die

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