Naomi & Ely - die Freundschaft, die Liebe und alles dazwischen
wirklich verletzt.
»Schätzchen, sogar ich wirke in dem verdammten Teil übergewichtig. Was glaubst du, warum ich die Jacke in letzter Zeit so selten anhabe? Ich sollte sie der Kuh, ihrer ersten Besitzerin, zurückgeben. Bei der stört es wenigstens nicht, wenn sie darin wie eine Kuh aussieht.«
»Okay«, sagt sie mit einem letzten kurzen Blick in den Spiegel. »Dann lass uns jetzt los.«
Ich mache das Licht aus, als wir mein Zimmer verlassen, weil ich das immer mache und ich nicht will, dass irgendetwas anders ist als sonst. Erst als wir draußen im Flur sind, sage ich: »Oh Mist!«
»Was ist denn?«, fragt Naomi.
»Ich hab was vergessen. Bin gleich wieder zurück.«
»Was hast du denn vergessen?«
»Meinen Willi, okay? Du kannst nicht von mir erwarten, dass ich ohne den durch die Clubs ziehe! Bin sofort wieder da.«
Ich stoße die Tür zu, bevor sie noch was sagen kann. Ich renne in mein Zimmer, öffne den Wandschrank, da ist er. Bruce der Zweite. Er steht dort im Dunkeln.
»Ich will, dass du bleibst«, sage ich. »Ich komm zurück, so schnell ich kann.«
Er nickt. Aber er wirkt nicht gerade glücklich.
Ich kapiere, warum.
»Du bist kein billiger Kitzel für mich und auch kein Spielzeug«, sage ich zu ihm. »Ich weiß nicht, was zwischen uns ist, aber es ist weder das eine noch das andere, das zumindest weiß ich.«
Er tritt in das dunkle Zimmer heraus. Er berührt meine Schulter. So verdammt ernst. Und ich würde ihn jetzt so gern küssen.
»Ich versprech dir, es wird nicht lange dauern«, sage ich.
»Geh«, sagt er. »Ich warte hier.«
Ich bin schon fast wieder draußen, da sagt er: »Kaugummi.«
»Was?«
Er wirft mir ein Päckchen Kaugummi zu.
»Erzähl ihr, dass du noch Kaugummi geholt hast.«
»Danke«, sage ich. An einen Jungen, dem kleine Alltagslügen so leichtfallen, könnte ich mich gewöhnen.
Ich stürze durch die Wohnung und zur Tür raus. Naomi wartet vor dem Aufzug, halb drinnen, halb draußen. Ich zweifle keinen Augenblick daran, dass sie ihn die ganze Zeit für mich aufgehalten hat. Zum x-millionsten Mal fällt mir auf, wie verdammt unglaublich schön sie ist. Und ich kann mich aufrichtig daran freuen, denn meine Liebe zu ihr hat nichts damit zu tun. Ich liebe sie, weil sie den Aufzug für mich aufhält, obwohl sie genauso gut schon ohne mich nach unten hätte fahren können. Ich liebe sie, weil sie, wenn sie ein T-Shirt sieht, das zu meinen Augen passt, ins Geschäft geht und es für mich kauft, selbst wenn sie eigentlich total pleite ist. Ich liebe sie, weil sie mich, wenn ich am liebsten den Kopf in den Sand stecken möchte, sanft zurückholt und mir stattdessen Sandkuchen backt. Ich liebe sie, weil sie wie ein alter Seemann fluchen kann und wahrscheinlich auch wie ein Pirat segeln könnte, wenn sie sich das in den Kopf setzen würde. Ich liebe sie, weil sie zwar nicht immer die Wahrheit sagt, aber immer so wirkt, als müsste sie das eigentlich tun. Ich liebe sie, weil ich sie nicht ununterbrochen lieben muss.
»Und, hast du deinen Willi gefunden?«, fragt sie.
»Was kümmert dich das?«, sage ich.
Sie schnaubt, drückt auf »Erdgeschoss« und erklärt mir: »Ich weiß nur, dass diese Party heute verdammt gut sein sollte. Wenn nicht, dann bist du ein toter Mann.«
Ich fühle mich wie ein Verräter. Denn während der Auf zug nach unten fährt, spüre ich schmerzlich, dass ich mich von etwas wegbewege, nicht mich auf etwas freue. Meine Liebe zu Naomi ist klar und selbstverständlich. Aber es treibt mich zurück zu dem, was ich nicht verstehe.
Er würde außen um das Auto gehen und die Tür für mich öffnen, oder?
Naomi darf nicht wissen, was ich gerade denke.
Das ist ein sehr gefährliches Terrain.
Naomi
ORBIT
»Und, hast du deinen Willi auch dabei?« Ely grinst mich an, als wir im Aufzug runterfahren.
»Wenn ich einen hätte, wie wären dann meine Chancen bei dir?« Er glaubt, dass er in dem roten Gürtel echt scharf aussieht. Aber er lässt ihn nach Babyspeck aussehen. Babyspeck und tussiges Rot. Tragische Kombination bei einem schwulen Jungen.
»Negativ«, antwortet Ely. Er beugt sich vor, seine Brust gegen meine Brüste gepresst, sein Gesicht nähert sich, als würde er mich gleich küssen wollen. Seine Lippen berühren schon fast meine Lippen, da schiebt sich eine Hand dazwischen. »Kaugummi?«, fragt er, ein Päckchen zwischen den Fingern drehend. Als ob ein Kaugummi in der Lage wäre, Elys Mundgeruch nach Vorglüh-zu übertönen. Ely wird sagen, dass es nur
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