Naomi & Ely - die Freundschaft, die Liebe und alles dazwischen
hab ich es nur falsch angepackt. Meine Arbeitsmoral war schon immer schwach ausgeprägt.
Ich habe nie verstanden, warum scharfes Aussehen immer mit Sex und Eroberung gleichgesetzt wird. Was ist aus Erwartung, Sehnsucht, Umwerben und wahrer Liebe geworden? Kann man nicht mal scharf aussehen, ohne gleich was zu wollen? Nennt mich das altmodische Fräulein Naomi, aber ich warte auf die große Liebe. Selbst wenn das eine unerreichbare Fantasie ist.
Ich werde nicht den Fehler begehen und Schönheit (meine oder seine) zur Basis meiner Beziehung zu irgendeinem Mann machen. Dieser ganze Liebe-auf-den-ersten-Blick-Scheiß funktioniert nicht. Mein Vater hat das Foto meiner Mutter in einer Zeitschrift gesehen und sich in sie verliebt, bevor er sie überhaupt kennengelernt hat. Als ich klein war, hat er mehr Zeit damit verbracht, sie zu fotografieren, als die Fotos zu machen, mit denen er unsere Familie ernähren sollte. Doch diese Faszination währte nicht ewig. Dad hat schließlich den Mythos der Schönheit verworfen, um sich der wirklichen und lebendigen Lesbe auf der anderen Seite des Flurs zuzuwenden. Er wollte Mom sogar für sie verlassen, aber dann hat sich die Lesbe daran erinnert, dass sie eigentlich eine Lesbe ist, deshalb hat Dad nur Mom verlassen, und Mom hat beschlossen, ihre Schönheit unter der Bettdecke zu vergraben.
Ich glaube, es war nicht die Tatsache, dass Dad ihr eine Lesbe vorgezogen hat, die Mom am meisten gekränkt hat. Ich glaube, sie fühlte sich noch viel stärker dadurch verletzt, dass sie ihren Ehemann an eine »Freundin« verloren hat.
Die Pokerspieler haben gerade ein Spiel beendet, als Ely und ich uns ihnen nähern. Wir bleiben stehen, um schweigend Gabriel zu bewundern, der eine neue Runde Karten an die Mitglieder des Mitternachtsclubs austeilt. Ja, ich hätte ihn gern für mich allein - wer nicht? -, aber er steht auf Platz zwei unserer No Kiss List TM , und ICH WEISS, WO MEINE GRENZEN SIND.
Sue riecht Ärger, wenn sie ihn kommen sieht. »Naomi, weiß deine Mutter, dass du so spät noch ausgehst?« Ich vermute, dass sie mein Outfit meint, nicht die Uhrzeit.
»Ja«, lüge ich. Seit Dad fort ist, verbringt meine Mutter die meiste Zeit in einem pharmazeutischen Dämmerzustand. Der Arzt hat ihr irgendwann den Nachschub an Schlaftabletten verweigert, aber Bruce der Erste wusste das nicht, als er ihr seinen Vorrat ausgehändigt hat. Im Austausch dafür, dass Mom ihm seine Sachen gewaschen hat; das war, als seine Schwester in Streik getreten war und ihm erklärt hatte, er solle sich nicht länger wie ein großes Baby aufführen und sich selbst um seine Wäsche kümmern.
Jetzt kümmere ich mich auch noch um Moms Wäsche. Das macht mir nichts aus. Sie schafft es sehr gut, ihre Weißwäsche und ihre Buntwäsche vorzusortieren. Doch egal wie viele Wäscheladungen ich für sie wasche, wie viele Mittagessen ich für sie koche oder wie viele Nächte ich neben ihr im Doppelbett schlafe, ich kann sie nicht aus ihrer Depression reißen. Ich wünschte, ich wäre eine solche Premium-Tochter.
Mr McAllister steht von der Ledercouch auf, in der linken Hand die Vogue vom letzten Monat. Perversling. »Nacht allerseits«, sagt er, verbeugt sich knapp und geht dann zum Aufzug.
»Warten Sie!«, rufe ich.
Die Aufzugtür geht wieder auf. Ich drehe mich zu Ely. »Bist du dir sicher, dass du nicht noch was anderes in der Wohnung vergessen hast?«
Er blickt so schuldbewusst drein. Ich würde ihn jetzt gerne hassen.
»Was zum Beispiel?«, murmelt Ely.
»Zum Beispiel deine Eier, ohne die dein Schwanz nichts wert ist.«
»Nicht diese Sprache, junge Lady!«, schimpft Sue und deutet auf den netten kleinen Bruce den Ersten mit Mrs Loys Chihuahua auf dem Schoß. Highschool-Boys. So jung und süß und unschuldig. So jämmerlich und doch so unwiderstehlich. Es bricht mir das Herz zu sehen, dass ich ihm das Herz breche. Ich hasse mich dafür.
Trotzdem. Oh, du Ablenkung von meinen Sorgen, wie danke ich dir vielmals, dass du hier mitten in der Nacht herumsitzt. Nein, nicht diese Ablenkung. Gabriel spielt in der ersten Liga, und ich seh vielleicht nicht so aus, aber ich bin immer noch Kreisklasse. Achtung: Ersatzspieler Bruce der Erste, wärm dich schon mal auf!
Ely kann seine verdammten Drinks heute selbst bezahlen. Ein Mädchen, das so aussieht wie ich, sollte nicht so □-schädelig verbohrt sein. Zeit für eine Wachablösung. Warum sollte aus dem □ nicht ein ♦ ◆werden oder irgend etwas , das mir aus der
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