Naomi & Ely - die Freundschaft, die Liebe und alles dazwischen
Tag, an dem wir uns begegnet sind, war der Tag eurer Schulabschlussfeier - der von dir und von Ely. Genauer gesagt: die Nacht. Denn es war schon Nacht. Ihr hattet beide noch eure offiziellen Roben an, du und Ely. Und ihr wart beide schon ziemlich durch. Die Partys waren lange vorbei, aber ihr seid noch bis zum Morgengrauen auf der Couch in der Eingangshalle gesessen, aneinandergekuschelt, leere Champagnerflaschen auf dem Boden. Ihr habt gelacht und gesungen. Ihr habt blöde Sprüche geklopft, irgendwelche Reimereien, was euch gerade so einfiel, während ihr beide um die Wette gerülpst habt. Das war euer Spiel - auszuprobieren, wer den anderen am weitesten treiben konnte.
Der Tag deiner Abschlussfeier war meine erste Nacht bei euch als Nachtportier. Ich hab mich gefragt, warum die Hausbewohner, die durch die Eingangshalle gekommen sind, von dir und Ely keine Notiz genommen haben - als könnte man euch jede Nacht dort antreffen, zwei betrunkene Jugendliche in ihren Abschlussfeier-Roben, rülpsend und singend und Witze machend, aneinandergeklammert, als ginge es um euer Leben, aber euch nicht gegenseitig befummelnd, das nicht. Einander Geheimnisse zuflüsternd.
Es ist für alle hier kein Geheimnis, dass ich ein lausiger Portier bin. Jeder weiß es. Der Vorteil der Nachtschicht ist, dass nur wenige Bewohner noch wach genug sind, um sich über meine Inkompetenz aufzuregen. Also verwechsle ich weiter Päckchen und spreche Namen falsch aus. Versuch du mal, um vier Uhr früh fehlerfrei zu sagen: »Nein, es ist hier kein Päckchen von DHL, UPS oder FedEx für Sie abgegeben worden, Mr Dziechciowski.« Also drücke ich weiter die Klingelknöpfe der falschen Wohnungen und schicke die Lieferjungen mit den Steak-Sandwiches zu den Singhs und die mit den Schweinespeck-Sandwiches zu den Lefkowitzes... im Dämmerlicht eines Samstagmorgens. Entschuldigung. Ganz zu schweigen von dem mitternächtlichen Pendelverkehr von Leuten, die mit Dope dealen oder heimlich ihren Liebhaber treffen wollen und die ich einfach vorbeihuschen lasse. Aber bitte fragt mich nicht nach Klatsch und Tratsch über all das, was bei der Versammlung der Schlaf losen in der Lobby so vor sich geht. Denn darum kümmere ich mich nicht. Ich steh einfach nur an meinem Platz und wirke total cool. Das kann ich nämlich.
Ich bin ein neunzehnjähriger Junge, der nichts Besseres zu tun hat, als nachts einen faulen Job als Pförtner zu schieben und tagsüber von dir zu träumen.
I thought you loved me
I was wrong.
Life goes on.
Tut mir leid, das bezieht sich auf ein anderes Mädchen, nicht auf dich. Mein Leben ist ohne sie weitergegangen.
Du konntest nicht ahnen, welchen Eindruck du in der ersten Nacht auf mich gemacht hast, als ich diesen Job angefangen und mich gefühlt habe, als sei dies der erste Tag vom Ende meines Lebens. Du konntest nicht ahnen, was ich eben erst begraben und hinter mir zurückgelassen hatte. Du konntest nicht ahnen, was in jener Nacht der Anblick deines Lächelns, die Grübchen in deinen Wangen und dein fröhliches Lachen bei mir bewirkt haben, dass sie mir einen winzigen Hoffnungsschimmer zurückgegeben haben - als ich nichts anderes wollte als abhauen, weg von dem Job, weg von zu Hause, um irgendwohin oder nirgendwohin zu gehen, um ins Nichts zu verschwinden.
Selbst der kleinste Hoffnungsschimmer zählt.
Stück Nummer 2 Bettye Swann: »(My Heart Is) Closed for the Season«
Dieser Song ist für Lisa.
Nur um das jetzt mal loszuwerden. Lisa war meine Erste. Ich hab mir für sie an sehr intimen Stellen Piercings machen lassen. Springerstiefel zu Krankenschwestertracht, das war Lisa. Eine Hospizschwester im Goth-Look, das muss man sich mal vorstellen. Ah, sie war ein Traum. Und ihre Figur. Sinnlich, üppig - und dann war sie auch noch klug. Scharfer Arsch und scharfer Verstand, wer könnte da widerstehen?
Nur um das jetzt auch mal loszuwerden. Du kannst mich in alle möglichen Schubladen stecken, mich nach meinen sexuellen Vorlieben oder nach meiner Herkunft beurteilen, aber nimm dafür nicht - ich wiederhole, nimm dafür nicht - meinen Musikgeschmack als Grundlage. Mein Dad behauptet immer, er hätte Englisch durchs Country-Music-Hören gelernt; meine Mutter hat fest daran geglaubt, dass wir als Familie durch die Musik miteinander kommunizieren könnten. Meine Eltern haben uns an den Wochenenden unter dem Vorwand der »musikalischen Erziehung« regelmäßig zu allen möglichen Heimwerkerarbeiten rangenommen. Dabei waren wir dann gnadenlos
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