Napoleon Bonaparte. Biographie.
»Oberst, Sie setzen mich wieder auf den Thron!« Labédoyère ist außer sich vor Freude. Diese Umarmung wird ihn das Leben kosten, aber was liegt daran? Man hat ein Jahrhundert gelebt, wenn man solche Worte vernahm.
Sofort machte man sich wieder auf den Weg, denn Napoleon kann nicht ruhen, bevor er in Grenoble ist. Grenoble hat eine Besatzung, die sich, heißt es, halten soll. Vergeblich verbürgen sich die Soldaten bei dem Kaiser für ihre Kameraden: der Kaiser tut zwar, als sei er überzeugt wie sie, befiehlt aber doch, auf die Stadt zu marschieren.
Abends 8 Uhr langte Napoleon unter den Mauern von Grenoble an.
Die Wälle sind von dem dritten Genieregiment, das aus 2000 alten Soldaten besteht, von dem vierten Linien-Artillerie-Regiment, in dem Napoleon gedient hat, von zwei Bataillonen des 5. Linienregiments und den Husaren des vierten besetzt. Übrigens war der Marsch des Kaisers so reißend schnell gewesen, daß er allen Maßregeln zuvorkam. Man hatte keine Zeit mehr, die Brücken aufzuziehen; aber die Tore sind geschlossen, und der Kommandant weigert sich, sie öffnen zu lassen.
Napoleon erkennt, daß ihn ein Augenblick des Zögerns verderben kann. Die Nacht beraubt ihn der zauberischen Wirkung seiner Gegenwart; gewiß aller Augen suchen ihn, aber niemand sieht ihn. Da befiehlt er Labédoyère, die Artilleristen anzureden, und der Oberst steigt auf eine Erhöhung und ruft mit starker Stimme:
»Soldaten, wir bringen euch den Helden zurück, dem ihr in so viele Schlachten gefolgt seid: an euch ist es, ihn aufzunehmen und mit uns den alten Sammelruf der Besieger Europas zu wiederholen: › Es lebe der Kaiser !‹«
In der Tat wird dieser magische Ruf augenblicklich wiederholt und nicht allein auf den Wällen, sondern auch in allen Teilen der Stadt. Alles eilt nun den Toren zu, aber die Tore sind geschlossen, und der Kommandant hat die Schlüssel. Inzwischen sind die Soldaten, die Napoleon begleiten, näher getreten. Man gibt einander Rede und Antwort, man reicht sich die Hände durch die Fallgitter, aber man öffnet nicht. Der Kaiser knirscht vor Ungeduld, die nicht frei von Befürchtung ist. Plötzlich ertönt das Geschrei: Platz! Platz! Die ganze Bevölkerung der Vorstadt Très-Cloître ist's, die mit Balken herandringt, um die Tore einzustoßen. Jeder stellt sich in Reih und Glied, die Hebel beginnen ihr Werk, die Tore stöhnen, krachen, fallen, und 6000 Mann dringen zugleich ein.
Das ist keine Begeisterung mehr, es ist Wut, Raserei. Die Menschen stürzen sich auf Napoleon, als wollten sie ihn in Stücke zerreißen. In einem Augenblick ist er unter bacchantischem Jubelgeschrei von seinem Pferde gerafft, aufgehoben und fortgerissen. Nie, in keiner Schlacht, ist er solche Gefahr gelaufen. Alles zittert für ihn, denn er allein kann begreifen, daß die Flut, die ihn fortreißt, lauter Liebe ist.
Endlich hält er in einem Hotel: sein Generalstab kommt herbei und umgibt ihn. Kaum ist man wieder zu Atem gekommen, als man neuen Lärm hört: diesmal sind es die Bewohner der innern Stadt, die ihm die ganzen Tore bringen, da sie ihm die Schlüssel dazu nicht bringen konnten.
Nun ist die Nacht ein ununterbrochenes Fest, währenddessen Soldaten, Bürger und Bauern sich miteinander verbrüdern. Auch läßt Napoleon sofort seine Aufrufe wieder drucken. Am 8. morgens werden sie angeheftet und nach allen Seiten hin verbreitet. Sendboten gehen von der Stadt aus und tragen sie nach allen Enden hin mit der Kunde von der Besitznahme der Hauptstadt des Dauphiné und dem baldigen Eingreifen Österreichs und des Königs von Neapel. Erst in Grenoble weiß Napoleon bestimmt, daß er bis nach Paris gelangen wird.
Am folgenden Tag kommen Geistlichkeit, Generalstab, die gerichtlichen sowie alle bürgerlichen und militärischen Behörden, dem Kaiser ihre Huldigung darzubringen. Nach beendigter Audienz hält er über die 6000 Mann starke Besatzung Heerschau und zieht dann schleunigst gegen Lyon.
Tags darauf setzt er, nach Ausfertigung von drei Erlassen, die verkündeten, daß er die kaiserliche Gewalt wieder an sich nehme, den Zug fort und übernachtet zu Bourgoin. Immer größer wird die Menge des begleitenden Volkes, wie die Begeisterung, es ist, als gebe ihm ganz Frankreich das Geleit und dringe mit ihm nach der Hauptstadt vor.
Auf der Straße von Bourgoin nach Lyon erfährt Napoleon, daß der Herzog von Orleans, der Graf von Artois und der Marschall
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