Napoleon Bonaparte. Biographie.
man noch jetzt den Baum zeigt, an dessen Fuß der Kaiser sich niederließ. Fünfundzwanzig Grenadiere und ein Gardeoffizier wurden in demselben Augenblick nach Antibes gesandt, um die Garnison zu gewinnen: aber von ihrer Begeisterung fortgerissen, zogen sie in die Stadt ein mit dem Rufe: »Es lebe der Kaiser!« Man wußte noch nichts von der Landung Napoleons und hielt die Leute für wahnsinnig. Der Kommandant ließ die Brücke aufziehen, und die 25 Tapfern sahen sich gefangen.
Das war ein rechter Unstern; auch schlugen einige Offiziere Napoleon vor, nach Antibes zu marschieren und es mit Gewalt zu nehmen, um dem übeln Eindruck zuvorzukommen, den der Widerstand dieses Platzes auf die öffentliche Meinung hervorbringen könnte. Napoleon antwortete, daß man auf Paris und nicht auf Antibes losgehen müsse, und indem er dem Wort die Tat folgen ließ, hob er das Biwak mit dem Aufgang des Mondes auf.
Noch mitten in der Nacht erreichte die kleine Armee Cannes, zog gegen sechs Uhr morgens durch Grasse und machte auf einer Anhöhe halt, die die Stadt beherrscht. Kaum hatte sich Napoleon dort festgesetzt, als er von den Bewohnern der Umgegend, bei denen sich das Gerücht seiner wunderbaren Landung bereits verbreitet hatte, umringt wurde. Er empfing sie, wie er dies in den Tuilerien getan haben würde, indem er ihre Klagen anhörte, Bittschriften entgegennahm und ihnen Gerechtigkeit versprach. Der Kaiser glaubte in Grasse eine Straße zu finden, deren Anlage er im Jahre 1813 befohlen hatte, aber die Straße war nicht fertig. Er mußte sich also entschließen, in der Stadt seinen Wagen und die vier kleinen, von der Insel Elba mitgebrachten Artilleriestücke zurückzulassen. Man nahm seinen Weg über die noch mit Schnee bedeckten Bergpfade, und des Abends blieb man nach einem Marsch von zwanzig Stunden im Dorfe Cérénon über Nacht. Am 3. März langte man, in Barême an, am 4. in Digne und am 5. in Gap. In dieser Stadt hielt man so lange an, als nötig war, um die Aufrufe, die man am andern Tage auf dem Wege zu Tausenden verteilte, zu drucken.
Indessen war der Kaiser nicht ohne Besorgnis. Bis jetzt hatte er es nur mit der Bevölkerung zu tun gehabt, und deren Begeisterung ließ sich nicht bezweifeln. Aber kein Soldat hatte sich gezeigt, kein organisiertes Korps hatte sich mit der kleinen Armee vereinigt, und vor allem wünschte und hoffte Napoleon, daß seine Person auf die zu seiner Bekämpfung ausgesandten Regimenter ihren Einfluß ausübte. Der so gefürchtete und so gewünschte Augenblick brach endlich an. Zwischen Lamuse und Vizille stieß der General Cambronne, der mit 40 Grenadieren in der Vorhut marschierte, auf ein von Grenoble ausgesandtes Bataillon, das den Weg versperren sollte. Der Anführer dieser Abteilung weigerte sich, den General Cambronne anzuerkennen, und dieser ließ den Kaiser von dem, was vorging, benachrichtigen.
Napoleon verfolgte eben seinen Weg in einem schlechten Reisewagen, den man sich in Gap verschafft hatte, als er diese Nachricht erhielt. Er ließ sogleich sein Pferd bringen, stieg auf und ritt im Galopp bis auf fast 100 Schritte an die Soldaten, die eine sperrende Mauer bildeten, heran, ohne daß ein einziger Ruf, ein einziger Willkomm seine Person begrüßt hätte.
Der Augenblick, das Spiel zu gewinnen oder zu verlieren, war da. Der Grund und Boden, worauf man stand, ließ leinen Rückzug zu: links von der Straße war ein steiler Berg, rechts eine kleine, kaum 30 Fuß breite, von einer Schlucht begrenzte Wiese und gegenüber das schlagfertige Bataillon, das sich von der Schlucht bis an den Berg ausdehnte.
Napoleon hielt auf einer kleinen Anhöhe, zehn Schritte von einem Bache, der durch eine Wiese fließt. Da wendet er sich gegen den General Bertrand und ruft, ihm die Zügel seines Pferdes zuwerfend: »Man hat mich getäuscht: doch gleichviel, vorwärts!« Mit diesen Worten steigt er ab. geht durch den Bach, schreitet stracks auf das noch immer unbewegliche Bataillon zu, bleibt zwanzig Schritte von der Linie stehen, in demselben Augenblick, wo der das Bataillon führende Adjutant des Generals Marchand seinen Degen zieht und Feuer zu geben befiehlt, und ruft: »Wie? meine Freunde, erkennt ihr mich nicht? Ich bin euer Kaiser. Wenn ein Soldat unter euch ist, der seinen General töten will, so kann er es, hier stehe ich.« Kaum sind diese Worte gesprochen, als der Ruf: »Es lebe der Kaiser!« aus aller Munde erschallt. Der Adjutant befiehlt zum
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