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Narben

Narben

Titel: Narben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Milo hob die Augenbrauen.
    »Du meinst Drogen?«
    »Das würde doch passen, oder? Seine Arbeitslosigkeit, Lucys Versuch, ihn zu verteidigen, ihr Ausweichen, als ich auf ihn zu sprechen kam. Sie sagte, er wollte sie immer beschützen, obwohl - und dann stockte sie und fuhr fort: ›Obwohl er selbst jemanden brauchte, der sich um ihn kümmert.‹ Ich bin sicher, sie wollte erst etwas anderes sagen. Ich weiß, es ist pure Spekulation, aber er war damals sehr darauf erpicht, in den Wagen zurückzukommen. Als ich hinschaute, saß er vornübergebeugt auf dem Sitz, als wäre er mit etwas beschäftigt. Lucy hat es auch gesehen, und danach hatten wir die erste Sitzung, in der sie ihr übliches Lächeln nicht mehr durchhielt. Vielleicht hat er sich dort vor meiner Tür eine Spritze gesetzt, und sie wußte es.«
    »Ein Junkie also. Könnte sein. Die wirklich hungrigen Typen kümmern sich nicht darum, wo sie sind, wenn sie einen Schuß brauchen.«
    »Es würde auch erklären, warum er Lucy ausweicht, wenn sie ihn am nötigsten braucht. Er redet mit jedem außer mit ihr, denn sie weiß, er ist unterwegs, um Stoff zu kaufen. Kommt nicht viel von dem Zeug über die mexikanische Grenze?«
    »Ja, aber das heißt nicht, daß es in L. A. nichts gäbe.«
    »Vielleicht kann er hier nicht kaufen, weil er bei jemandem Schulden hat. Das könnte auch der Grund sein, warum er aus der Stadt verschwinden mußte: auf der Flucht vor Leuten, die nicht erst Mahnungen schicken, wenn sie ihr Geld zurückhaben wollen. Vielleicht benutzen sie Lucy, um ihn unter Druck zu setzen. Vielleicht handelte es sich bei den Anrufen nicht um defekte Leitungen. Vielleicht ist wirklich jemand bei ihr eingebrochen und hat ihre Unterwäsche angefaßt.«
    »Niemand ist eingebrochen. Das sagt sie selbst.«
    »Na und? Dann haben sie eben Peters Bude durchsucht und den Schlüssel zu Lucys Wohnung gefunden.«
    »Das wäre überraschend subtil. Solchen Leuten macht es viel mehr Spaß, Türen einzutreten.«
    »Vielleicht sind sie noch in der subtilen Phase, wo sie ihm Angst einjagen wollen, damit er die Schulden begleicht. Er muß doch dealen. Wie sollte er sonst seine Sucht finanzieren? Lucy verfügt über Wertpapiere, die ihr vielleicht tausend Dollar im Monat einbringen. Angenommen, er hat dasselbe: Mit dem Geld kommt man nicht weit, wenn man Drogen kaufen muß.«
    »Kommt das Vermögen vom Vater oder von der Mutter?«
    »Von der Großmutter väterlicherseits. Die hat ihr Geld über zwei Generationen vererbt, um Steuern zu sparen. Lowell selbst hat wahrscheinlich keine Kontrolle darüber.«
    »Hör zu: Es wäre ja schön, wenn die bösen Drogenhändler für alles verantwortlich wären und Lucy die Wahrheit sagte, aber ich sehe immer noch nicht, wie dadurch ihr Kopf in die Backröhre geraten kann.«
    »Könnte sie nicht jemand betäubt und in die Küche geschleppt haben? Jeden Abend, wenn sie nach Hause kommt, trinkt sie ihr Glas Saft, und dann schaut sie fern. Die Vorhänge standen offen, weil sie wollten, daß sie gefunden wird. Sie wollten Peter eine Warnung verpassen. Stell dir vor, alle gehen davon aus, sie lügt oder verdrängt, und sie sagt die ganze Zeit die Wahrheit.«
    Milo rieb sich das Gesicht. »Das fällt mir schwer. Man hat nämlich weder eine Beule an ihrem Kopf noch irgendwelche Betäubungsmittel in ihrem Blut gefunden.«
    »Sie könnten etwas benutzt haben, worauf man im Krankenhaus nicht testen kann, Chloroform zum Beispiel.«
    »Na gut, wenn du unbedingt theoretisieren willst, dann behaupte ich mal, daß Peter sie wahrscheinlich vergasen wollte.
    Weil er sauer war, daß sie ihm kein Geld geben wollte für sein Drogenhobby. Oder er ist einfach hinter ihrem Anteil an der Erbschaft her und hat die Stadt verlassen, um sich ein Alibi zu verschaffen. Dann ruft er Ken an, um herauszufinden, ob sie tot ist. - Wenn dir die Geschichte nicht gefällt, dann kann ich dir noch zwei Dutzend andere Versionen bieten. Ich könnte den ganzen Tag damit verbringen, wenn ich meiner Phantasie freien Lauf lasse.«
    »Du hast recht. Es ist Wunschdenken; ich fände es einfach weniger belastend, wenn es kein Selbstmordversuch wäre. Peter als Junkie hinzustellen, ist sicherlich ungerecht. Wahrscheinlich ist er nur ein schüchterner Bursche mit Kreislaufproblemen.«
    »Nein«, sagte Milo, »irgend etwas stimmt nicht mit ihm. Wenn ich ins Büro zurückkomme, werde ich mich an den Computer setzen. Hast du seine Adresse?«
    »Ken sagte etwas von Studio City. Hast du auch noch vor,

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