Narben
und sprach mit den Aufsehern, Arbeitern, Campern, mit jedem. - Natürlich litt mein Geschäft darunter. Als meine Frau dann einen Tumor bekam und starb, verkaufte ich, was von meinem Handel noch übrig war, und ließ mich hier nieder. Craig und Taffy überließ ich mein Haus im Osten, und ein paar Jahre später konnten sie es kaufen. Ich wollte mich ganz der Suche nach Karen widmen. Ich saß täglich zehn Stunden im Auto und hoffte, daß ich sie eines Tages sehen würde. Vielleicht hatte sie ja das Gedächtnis verloren und war… irgendwo.«
Er schob die Kekse weg. »Woran erinnert sich Ihr Zeuge?«
»An eine junge Frau, die von Männern weggetragen wird.«
»Das ist vage.«
»Ja, das ist es, und ich bedaure, sagen zu müssen, daß es vielleicht nichts zu bedeuten hat.«
Ich wollte ihm den Bogen mit den Namen zurückgeben, doch er lehnte ab: »Nein, behalten Sie das nur. Es ist nur eine Kopie. Davon habe ich jede Menge.«
Ich faltete das Blatt zusammen und steckte es in die Tasche.
»Eine junge Frau mit langen dunklen Haaren und langen Beinen. Als Karen klein war, nannten wir sie manchmal ›Storch‹, wegen der Beine. Wo ist Ihr Zeuge - ist es ein Mann oder eine Frau?«
»Das darf ich leider nicht sagen.«
Er runzelte die Stirn. »Wo hat, nach Ihrem Zeugen, diese Verschleppung stattgefunden?«
»In einer Art Freizeitpark mit Blockhütten, in einem Wald.« Er preßte seinen Bauch gegen die Tischkante. »Sie sind doch Polizeipsychologe. Könnten Sie diese Person nicht hypnotisieren? Das soll doch der Erinnerung auf die Sprünge helfen.«
»Das ist eine Möglichkeit.«
»Mehr nicht?«
»Unser Zeuge ist sehr labil.«
»Wie meinen Sie das?«
»Es tut mir leid, aber mehr kann ich nicht sagen.«
»Ja, natürlich nicht, entschuldigen Sie… Aber Sie werden der Sache nachgehen.«
»Ich tu, was ich kann, Reverend.«
»Arbeiten Sie direkt für die Polizei?«
»Ich bin selbständiger Berater. Der Zeuge ist bei mir in Behandlung, und ein Kriminalbeamter weiß Bescheid, obwohl es bis jetzt noch nicht offiziell ist.«
»Warum machen Sie sich die ganze Mühe?«
»Um meinem Patienten zu helfen.« Er schaute mich eindringlich an.
»Warum?«
Ich zuckte die Schultern.
Er rückte seine Brille zurecht und schaute auf seine Kaffeetasse.
»Versuchen Sie, an Gwen und Tom Shea heranzukommen. Auf meinem Papier ist sie noch unter ihrem Mädchennamen aufgeführt, Peet, aber sie sind jetzt verheiratet. Sie waren Kollegen von Karen im Sand Dollar. Sie waren auf ihrer letzten Schicht. Ich hatte immer das Gefühl, sie wußten mehr, als sie zugeben wollten.«
»Wie kamen Sie darauf?«
»Es war die Art, wie sie sich benahmen, als ich mit ihnen sprach - nervös, unaufrichtig. Für Felix Barnard waren sie unverdächtig, für die Sheriffs auch. Sie waren beide einheimisch, mit gutem Leumund und ohne Vorstrafen, aber eins kann ich Ihnen sagen: Als ich mit ihnen über Karen sprach, konnten sie mir nicht in die Augen schauen. Sie waren mit ihr befreundet. Gwen kellnerte, und Tom stand hinter der Bar. Warum sollten sie so komisch werden, wenn ich Karen erwähnte? Sie verließen das Restaurant kurz nach Karen. Sie hatten ein Auto, und Karen ging zu Fuß. Meinen Sie nicht, sie hätten sie einholen müssen?«
»Vielleicht hat sie jemand abgeholt.«
»Wem sollte sie das erlaubt haben? Sie ging mit niemandem aus, hatte keine engen Freunde, und per Anhalter wäre sie nie gefahren. Darüber hab ich mit ihr gesprochen, bevor sie aus Massachusetts wegging. - Ich bin sicher, sie haben etwas zu verbergen. Ich weiß, wann jemand schuldig aussieht.«
Ich zog das Blatt Papier aus der Tasche und kreiste die beiden Namen ein.
»Ich suchte sie immer wieder auf. Ich bot ihnen sogar Geld an, mein letztes Geld, bevor ich meine Aktien verkaufte. Sie wollten nicht mal mit mir reden. Am Ende rief Tom die Polizei an und beschwerte sich, ich würde sie belästigen. Kurz darauf versuchte ich es noch einmal. Ich hoffte, ich könnte Gwen allein erwischen. Sie weigerte sich, die Tür zu öffnen, und am nächsten Tag kam Tom zu meinem Motel und drohte, mich zu verprügeln, wenn ich sie nicht in Ruhe ließe.«
»Und damit war dann Schluß?«
Er seufzte. »Ich fuhr danach ein oder zweimal die Woche an ihrem Haus vorbei, bis sie die Sachen packten und aus Malibu wegzogen. Wenn das keine Schuld ist, dann weiß ich nicht. Als ich dann im Sand Dollar anrief und mich als Freund von ihnen ausgab, erfuhr ich, daß sie nach Aspen gezogen waren, aber vier Jahre
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