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Narben

Narben

Titel: Narben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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später kamen sie zurück. Sie haben jetzt einen Surferladen in der Nähe des Piers. Es scheint ihnen recht gutzugehen, muß ich hinzufügen. Tom hat einen BMW, und Gwen fährt einen aufgemotzten Bus.«
    »Sie fahren immer noch bei ihnen vorbei?«
    »Nur einmal im Jahr, wenn sich Karens Verschwinden jährt.«
    »Unternehmen Sie sonst noch etwas?«
    »Ob ich sie anzusprechen versuche, meinen Sie? Nein, warum auch? Für mich ist es ein Tag der Reflexion.« Er senkte den Kopf und rieb sich die Augen. »Sie wäre jetzt fast vierzig, doch für mich bleibt sie immer neunzehn. - Keine Sorge, Doktor. Ich falle den Sheas nicht auf den Wecker. Was immer sie getan haben, sie müssen damit leben. Außerdem haben sie jetzt ihre eigenen Sorgen: ein behindertes Kind. Wenn Sie sie besuchen, erwähnen Sie meinen Namen besser nicht. Ich bin sicher, sie halten mich für einen alten Irren.«
    »Wie lange war Karen in Kalifornien, bevor sie verschwand?«
    »Fünf Monate.«
    »Wie oft hat sie geschrieben?«
    »Nie. Sie hat immer angerufen. Immer sonntags, manchmal auch mittwochs und freitags. Deshalb waren wir so beunruhigt. Sie war absolut zuverlässig mit ihrem Sonntagsanruf. Wir riefen im Restaurant an, und die sagten, sie wäre nicht zur Arbeit erschienen.«
    »Ich nehme an, sie hat in früheren Anrufen nichts gesagt, das auf ihr Verschwinden hinwies.«
    »Nichts. Sie war glücklich, hatte Spaß an dem Wetter hier und an ihrem Job. Es war alles in Ordnung. Sie versuchte, genug Geld zu sparen, damit sie die Schauspielschule besuchen konnte.«
    »Was hielten Sie von ihrem Ehrgeiz, Schauspielerin zu werden?«
    »Wir glaubten eigentlich nie, daß sie es wirklich tun würde. Wir dachten, sie würde es eine Weile versuchen und dann zurückkommen, ins College gehen und einen netten Jungen kennenlernen.«
    Seine Lippen zitterten.
    »Meistens nahm meine Frau ihre Anrufe entgegen. Ich war gewöhnlich im Lager. Als Karen verschwand, begann ich das Lager zu hassen. Ich übergab das Geschäft an Craig, doch der verkaufte und nahm eine Stelle beim Staat an, irgendwas mit Sicherheit am Bau. Das erste Jahr hier ging ganz in der Suche nach Karen auf. Das zweite Jahr auch, doch es kam nichts dabei heraus. Ich hatte Zeit und begann, die Bibel zu lesen. Ich war vorher nie religiös gewesen. Ich hatte zwar die Kirche besucht, doch während ich vorgab zu beten, dachte ich in Wirklichkeit an mein Geschäft. Plötzlich entdeckte ich einen Sinn in der Bibel. Ich schrieb mich an einem Seminar in Eagle Rock ein. Fünf Jahre später wurde ich ordiniert und begann in unserer Kirche. Wissen Sie, was wir hier tun?«
    »Sie verteilen Lebensmittel an arme Leute.«
    »An jeden, wir stellen keine Fragen. Wir arbeiten alle ehrenamtlich. Ich lebe von der Sozialhilfe und den paar Wertpapieren, die ich noch habe. Die anderen sind Freiwillige. Die Spenden kommen meistens von Restaurants. Es ist ein gutes Leben. Ich wünschte, Karen könnte es sehen.«
    Er leerte den Rest aus der Kiste auf den Tisch und räumte das Geschirr weg. »Ich wasche jetzt ab.«
    Ich blätterte die vier Fotoalben durch, die Karens kurzes Leben vom Säuglingsalter bis zum Jahr ihres Todes darstellten, dann legte ich alles zurück.
    Ich ging in die Küche. Best stand vor der dampfenden Spüle, die Hände in Gummihandschuhen, und starrte auf eine Bibelillustration, die an der Wand darüber festgepinnt war.
    Eine junge Frau, an den Haaren weggeschleppt. Dinas Entführung.
    Seine Hände waren gefaltet, seine Brillengläser beschlagen. Seine Lippen bewegten sich.
    Er betete.

15
    Als ich wieder zu Hause war, schlug ich in der Bibel nach. Was ich dort las, machte mir das Einschlafen schwer.
    Am nächsten Morgen fuhr ich mit Ruth in die Stadt, und wir frühstückten dort. Danach ging ich in die Bibliothek, um mir den Zeitungsbericht über die Sanktum-Party noch einmal anzuschauen. Das Datum war der fünfzehnte August. Ein Tag, nachdem Karen Best verschwunden war.
    Ich kopierte den Artikel und rief Milo an. Er klang beschäftigt.
    »Ich will dich nicht stören, aber…«
    »Nun sag schon, was hast du?« Ich erzählte es ihm.
    »Karen Best, also. War die nicht blond?«
    »Ja, aber sie hatte sich in dem Sommer das Haar gefärbt. Und ihr Bruder sagt, sie hatte sehr lange Beine. Vielleicht hat es nichts zu bedeuten. Ich wollte nur -«
    »Warum treffen wir uns nicht im Rancho Park, am Nordende, neben dem Baseballfeld? Nimm den ersten Eingang hinter dem Golfplatz und geh, so weit du kannst. Du erkennst mich daran,

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