Narben
war. Sie wollte mich nicht auch noch in Gefahr bringen.«
»Meinte sie Drogenleute?«
»Das nehme ich an, obwohl wir nie direkt darüber gesprochen haben. Ich hatte erst vor kurzem erfahren, daß Peter süchtig war. Natürlich habe ich mir gedacht, daß etwas nicht mit ihm stimmte, weil er so dünn war und ständig hustete. Ich fragte mich, ob er vielleicht Aids hätte… Wie auch immer, nach dem Frühstück änderte Lucy ihre Meinung und sagte, wir sollten es doch versuchen. - Entschuldigen Sie mich einen Augenblick.«
Er stand auf, machte sich eine Tasse Kaffee und kam damit zum Tisch zurück. »Sie sagte, sie wäre sicher, daß etwas nicht stimmte, sonst hätte Peter sie angerufen. Wir fuhren also hin.
Lucy hatte einen Schlüssel. - Das Haus ist eigentlich eine Ruine, ein richtiges Rattenloch. Peters Wohnung liegt über einem leerstehenden Laden. Um zu ihr zu gelangen, mußten wir über Mülltonnen steigen und eine Hintertreppe hinaufklettern.«
Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und trank von seinem Kaffee. Das Schlucken schien ihm Mühe zu bereiten.
»Als wir hineingingen, fiel mir sofort dieser Geruch auf, doch bei dem Zustand, in dem die Wohnung war - überall offene Büchsen, der Teppich voller Essensreste und anderem Abfall -, dachte ich mir nicht viel dabei. Lucy zeigte mir Peters Schlafzimmer. Durch die Tür hörten wir ein Geräusch, ein Summen. Wir waren vor Angst wie gelähmt, aber dann dachte ich mir, er wäre vielleicht gerade zurückgekommen. Also öffnete ich die Tür…«
Sein Gesicht zuckte. Er stellte zitternd die Tasse ab.
»Ich öffnete die Tür nur einen Schlitz weit, und dann kam mir diese Wolke entgegen: Fliegen. Hunderte, Tausende von Fliegen. Und Maden. Das ganze Bett war mit Maden bedeckt. Auch der Fußboden und die Vorhänge, als hätte jemand Reis verstreut. Peter lag unter den Maden auf dem Bett, und auf dem Boden - es war unmöglich zu sagen, was zu ihm gehörte und was Maden waren. Er war regelrecht zerlaufen , aber die Nadel steckte noch.«
»Er muß einige Zeit dort gelegen haben«, sagte Milo.
Wir saßen im Wohnzimmer in Brentwood. Er war gerade gekommen. Ken und Lucy schliefen jetzt beide.
»Wie lange meinst du?«
»Schwer zu sagen. Die Wohnung hat keine Klimaanlage. Der Pathologe sagt, wir könnten nicht mehr als eine Schätzung erwarten, zwischen drei und acht Tagen.«
»Wir wissen, daß es näher an drei Tagen sein muß, weil er davor in New Mexico war. Anscheinend ist er zurückgekommen, kurz nachdem er Lowell angerufen hat. Aber bei Lucy hat er sich trotzdem nicht gemeldet.«
»Die Einkaufstour scheint erfolgreich gewesen zu sein. Die Kollegen in Van Nuys haben im Badezimmer einen hübschen Klumpen Heroin gefunden. Sie sagen, es ist mexikanische Qualität, sehr stark. Es hat nur eine kleine Ecke gefehlt.«
»Es muß schon beim Ausprobieren passiert sein. Er hatte keine Gelegenheit mehr, Lucy anzurufen.«
»Wie lange schläft sie schon?«
»Seit anderthalb Stunden.«
»Und Ken?«
»Er ist vor einer halben Stunde hinaufgegangen, um nach ihr zu schauen. Seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen.«
Ken stand auf der Treppe und hielt sich am Geländer fest. Er hatte sich das Haar gekämmt, sah aber hundeelend aus. »Ich wäre beinahe eingeschlafen. Hallo, Detective.«
Sie gaben sich die Hand.
»Ist Lucy auch aufgewacht?« fragte ich.
»Ja, soeben. Sie sagt, Sie können hochkommen, wenn Sie wollen. Ihr Zimmer liegt am Ende des Korridors.«
Lucys Zimmer war hellblau und weiß, mit Stuck an der Dekke und einem großen Himmelbett mit Spitzendecke. Sie saß auf dem Rand und starrte aus dem Fenster.
Ich setzte mich neben sie. Ihre Augen waren trocken, ihre Lippen aufgesprungen.
»Es tut mir sehr leid, Lucy.«
»Weg«, sagte sie, »alles weg. Mein ganzes Leben.« Ich tätschelte ihre Hand.
»Ich habe die Türklingel gehört.«
»Das war Milo.«
Ihr Oberkörper schwankte vor und zurück. Ich drückte ihre Hand.
»Er soll kommen. Milo«, flehte sie.
Ich ging hinaus auf den Treppenabsatz. Milo und Ken standen unten und schienen sich nicht von der Stelle gerührt zu haben, seit ich sie verlassen hatte.
»Sie möchte dich sehen, Milo.«
Er stürmte die Treppe herauf, zwei Stufen auf einmal. Als er an mir vorbeilief, bemerkte ich, daß Ken sich an den Bauch faßte und das Gesicht verzog.
»In meinem Magen rumort es. Ich kann nichts bei mir behalten. Vielleicht nehme ich auf die Weise endlich etwas ab. Im letzten Jahr habe ich sechs Kilo zugelegt. Bei
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