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Narben

Narben

Titel: Narben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Reichtum her. Hatte Ape versucht, sich Respektabilität zu erkaufen, indem er sich mit dem Großen Mann zeigte?
    Ein »unabhängiger Produzent« hatte die Filmrechte für Es werde Licht erworben. War Ape dieser Produzent?
    Kommerziell gesehen war es Schwachsinn, für Filmrechte an einem Gedichtband Geld auszugeben, doch vielleicht war Ape nur daran interessiert, sich billig bei Lowell einzukaufen, als der sich auf dem absteigenden Ast befand. - Hatte er aus demselben Grund ins Sanktum investiert ?
    Möglicherweise hatte er Lowell noch heute in der Hand damit.
    Ape stand natürlich nicht im Telefonbuch, doch zum Glück gehören Filmproduzenten gewöhnlich einem Berufsverband an, wo ich ohne Probleme seine Adresse erfuhr - 400 South Beverly Drive in Beverly Hills. Ich wollte gerade dort anrufen, doch bevor ich wählen konnte, kam mein Antwortdienst in die Leitung.
    »Jemand bei Mr. Lowell möchte Sie sprechen, Doktor. Sie will ihren Nachnamen nicht verraten, aber die Stimme ist sehr sexy.«
    »Stellen Sie durch.«
    »Haben Sie immer noch vor, seine Tochter herzubringen?«
    »Hatte ich das jemals vor?«
    »Er erwartet sie jedenfalls. Nach dem Mittagessen hält er ein ausgedehntes Schläfchen, und dann -«
    »Das steht im Moment nicht zur Debatte. Es ist etwas passiert.«
    »Wirklich?« fragte sie kalt. »Und was?«
    »Lowells Sohn ist heute tot aufgefunden worden.«
    »Wann war das?«, fragte sie mißtrauisch.
    »Heute morgen, aber er muß schon seit einiger Zeit tot gewesen sein.«
    »Wie ist er denn gestorben?«
    »Wahrscheinlich an einer Überdosis Heroin.«
    »Verdammt, wie soll ich ihm das nur beibringen? Der Mann hat so viel durchgemacht. Wenn er aufwacht, erwartet er, daß ich ihm den Besuch seiner Tochter ankündige. Sie sollten sie herbringen, besonders jetzt. Er hat es verdient.«
    »Glauben Sie das wirklich?«
    »Warum sind Sie so feindselig? Ich versuche nur zu tun, was ich für richtig halte.«
    »Genau wie ich.«
    Ihre Stimme wurde plötzlich zuckersüß. »Entschuldigen Sie. Ich bin wohl etwas durcheinander. Ich habe keine Erfahrung in diesen Dingen. Ich weiß wirklich nicht, was ich tun soll. Könnten Sie dabeisein, wenn ich es ihm sage, und mir beistehen? Ich weiß, es ist viel verlangt, aber ich werde Sie bezahlen für Ihre Zeit. Bitte, kommen Sie her.«
    »Geld kann ich nicht von Ihnen annehmen, aber ich werde kommen. Am besten sofort.«
    »Tun Sie das wirklich? Das ist unheimlich nett von Ihnen. Wenn ich mich irgendwie revanchieren kann…«
    Die Stimme war wirklich sexy.

34
    Sie saß vor der Tür. Als sie mich kommen sah, stand sie auf und kam die breiten hölzernen Stufen heruntergelaufen. Sie trug ein schwarzes Minikleid und schwarze Sandalen. Sie rannte auf mich zu, als wollte sie mich anspringen, doch dann blieb sie dicht vor mir stehen und nahm meine Hand.
    Ihr Körper war durchtrainiert und ihre Haut glatt, doch aus der Nähe, im strahlenden Sonnenschein, bemerkte ich winzige Narben unter ihren Ohren.
    Narben, wie sie gewöhnlich von kosmetischen Operationen zurückbleiben. War sie älter, als ich dachte?
    Sie hielt meine Hand fest, und als ich hinunterschaute, entdeckte ich weitere Narben auf ihren Armen, kaum erkennbar bis auf eine lange weiße Linie an der Seite ihrer rechten Hand.
    »Danke«, sagte sie. »Er schläft noch.«
    »Wie lange schläft er normalerweise?«
    »Zwischen zwei und fünf Stunden. Ich senke vor dem Mittagessen seine Morphiumdosis, sonst würde er nichts essen, aber danach wird er trotzdem noch sehr müde.«
    »Wer verschreibt das Morphium?«
    »Ein Arzt in Pacific Palisades.«
    »Hat der Arzt ihn je untersucht?«
    Sie lächelte und seufzte: »Was soll ich darauf antworten?«
    Ich mußte daran denken, wie Lowell seinen Sohn verachtet hatte.
    »Kommen Sie herein.« Sie hielt mir die Tür auf.
    »Warum machen wir nicht vorher einen Spaziergang?« schlug ich vor. »Ich bin den ganzen Tag noch nicht draußen gewesen.«
    »Okay. Lassen Sie mich nur rasch etwas holen.«
    Sie lief die Treppe hinauf und kam mit einem weißen Kästchen mit Gummiantenne zurück.
    »Es ist eigentlich für Babys gedacht«, erklärte sie, während sie es an ihrem Gürtel befestigte. »Wenn er wüßte, daß ich es benutze, würde er mich umbringen. Aber so sind alte Leute eben. Wie große Babys, nicht wahr?«
    Sie blieb dicht an meiner Seite, während wir um das Haus herumspazierten. Direkt hinter dem Gebäude war ein dürres Stück Garten mit zwei Eisenpfosten und einer Wäscheleine dazwischen.

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