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Narcopolis

Narcopolis

Titel: Narcopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeet Thayil
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anlasten, wenn ihm etwas geschähe, da der PEN -Abend seine Idee gewesen sei und er das Geld für Xaviers Reise nach Bombay aufgetrieben habe. Ich musste daran denken, was Xavier mir am Abend zuvor gesagt hatte, nämlich dass er nicht wolle, es spräche sich herum, dass er Opium rauchte. Und ich dachte, Xavier ist ein Mann von Welt. Es wäre falsch, ihm nicht jenes Minimum an Respekt zu gewähren, das jedem Erwachsenen gebührte, ihm also nicht die Möglichkeit einzuräumen, sich richtig gehenzulassen, vielleicht sogar abzustürzen, wenn er dies denn wollte. Also sagte ich Iskai, Xavier habe mich abgesetzt, sei zu seinem Hotel in Colaba weitergefahren und zu jenem Zeitpunkt sei es ihm allem Anschein nach gutgegangen. Und natürlich hatte ich mir nicht die Nummer des Taxis gemerkt, warum auch? Iskai verabschiedete sich, immer noch aufgebracht, und ich ging zu Rashid.
    •••
    Die Khana war voll, aber Dimple nicht da, Xavier auch nicht. Ich bestellte eine Pyali und rauchte langsam, rauchte an Dimples Platz, an dem sich Pagal Kutta heute um die Pfeife kümmerte. Er war der unfähigste Pfeifendiener in der ganzen Khana. Seine Pfeifen brannten zu rasch und zu heftig. Schlimmer noch, Pagal Kutta wartete ungeduldig darauf, dass man fertig wurde, damit er die Reste rauchen konnte; seinen Spitznamen hatte er allerdings davon, wie er an der Pfeife sog, schnaufte und schnaubte er doch wie ein verrückter Hund. Während ich auf Dimple wartete, begnügte ich mich mit der Pfeife, die er mir machte, und ließ Rashids Geschichten über mich ergehen. Rashid erzählte von Pathar Maars jüngstem Verbrechen. Er hatte in der letzten Nacht zugeschlagen, sehr spät, weshalb noch nichts darüber in den Zeitungen stand. Seine Opfer waren eine Mutter und ihr Baby, die unter der Brücke der Grant Road geschlafen hatten. Mit einem Pflasterstein schlug er der Frau den Schädel ein und fasste das Baby an den Fußgelenken, um es gegen eine Wand zu schmettern. Einige Leute hatten ganz in der Nähe geschlafen, niemand aber auch nur einen Schrei gehört. Erst als wer aufwachte, weil er zur Toilette musste, wurde die Mordtat entdeckt.
    »Dieser Pathar Maar arbeitet für den Kongress«, sagte Rashid. »Er ist die Speerspitze der Garibi-Hatao-Kampagne. Was meinst du, Bengali?«
    Als er lachte, stimmten alle in sein Lachen ein, die Pfeifendiener und Kunden, ja, selbst Bengali, auch wenn kaum zu übersehen war, dass manch einer den Scherz gar nicht verstand: Einige aus dieser Truppe von Karrierekriminellen und Drogensüchtigen wussten nicht einmal, ob man das Jahr 1978 oder 1975 schrieb, wieso sollten sie sich also mit Details der Regierungspolitik auskennen? Dimple kam gut eine Stunde später; und Rashid sagte etwas, das sie den Kopf einziehen und gleich mit der Arbeit beginnen ließ. Als ich Bengali nach dem Mann in der Kurta fragte, der gestern Nacht in die Khana gekommen sei, blickte er mich so verständnislos an, als hätte er keine Ahnung, wer ich war, und wisse noch viel weniger, wovon ich redete.
    •••
    Am nächsten Tag beschloss ich, zu Hause zu bleiben, ging am Abend aber doch wieder in die Khana; als ich ankam, lag der Maler Xavier, mit Pagal Kutta Pfeife rauchend, auf dem Boden. Die weiße Kurta hatte inzwischen die Farbe von Sägemehl angenommen, doch der Bart schien gestutzt, das Haar geschnitten. Eigentlich wirkte er frischer, als es ihm zustand. Dimple war nirgendwo zu sehen. Ich erzählte ihm, Iskai hätte nach ihm gefragt, er mache sich Sorgen um ihn. Wo er denn gewesen sei?
    »Ich habe von den Angeboten der Shuklaji Street gekostet. Kein Grund für Akash, sich aufzuregen. Die Ausstellung wird erst morgen eröffnet. Und ich werde da sein, im Anzug, um die Presse zu bezaubern. Sagen Sie ihm, er soll sich abregen.«
    Ich fragte ihn noch einmal, wohin er denn verschwunden sei. Er sagte: Darf ich Ihnen eine Pyali mit Mr Rashids exzellenter Ware spendieren? Hätte Baudelaire bei seiner Studie übers Paradies auch das Opium einbezogen, vor allem dieses besondere Opium hier, dann hätte es, da bin ich mir sicher, alles andere um Längen geschlagen. Was übrigens durchaus keine müßige Spekulation ist, denn wie Sie gewiss bereits vermutet haben, bin ich ein Alki, und gerade als Alki behaupte ich, dass dieses Opium besser als sämtliche Drogen ist, die ich kenne, ausnahmslos und unfehlbar besser. Xavier war betrunken, wenn auch nicht so betrunken, dass er seinen Rollstuhl gebraucht hätte. Er dankte mir für meine Hilfe, bezahlte meine

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