Narcopolis
Pyalis und verließ die Khana anständig und gesittet.
Etwa einen Tag später fragte ich Dimple, ob sie wisse, wo Xavier gewesen sei. Sie sagte, er sei mit ihr ins Hijrabordell gegangen, doch wollte sie nicht weiter darüber reden. In unserer Sprache, erklärte sie, gibt es für das Böse und für das Chaos nur ein Wort. Wer aber vom Bösen spricht, der lädt es in sein Leben ein. Sie erwähnte Xavier nie wieder, nicht einmal mir gegenüber.
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Dimple hielt sich an ihre Ankündigung, nie mehr über das zu reden, was passiert war. Aber vergessen konnte sie den Mann mit den Glubschaugen nicht, dessen blutiger Gaumen und Whiskyschweiß die abergläubische Angst in ihr heraufbeschwor, der Teufel selbst habe den Raum betreten. Nachdem ich gegangen war und Bengali sich aufgemacht hatte, Essen zu besorgen, blieben sie gut eine halbe Stunde lang allein in der Khana. Dimple machte sich daran, eine Pyali zuzubereiten, Xavier aber kümmerte sich persönlich und mit einigem Geschick um das Opium, pochte an die Pfeife, sobald er fertig war und bot ihr den ersten Zug an. Sie kam sich vor, als wäre sie die Kundin und er der Pfeifenwallah, was ihr gewiss gefallen hätte, hätte sie sich von ihm nicht so beobachtet gefühlt. Noch während sie rauchte, nahm er die Pfeife und schob sich das von ihr feuchte Mundstück zwischen die Lippen, der Blick starr auf ihren Bauch gerichtet. Dann schaute er ihr in die Augen, wobei er langsam an der Pfeife sog, und ihr war, als dränge er durch die Kleider in sie ein, oder als wäre sie in einer ihr unbekannten Stadt eingeschlafen und wachte auf, weil ihr ein Fremder ins Gesicht schlug, ein Mann, dessen Gesicht sie nicht sehen konnte, der sie aber gnadenlos fickte und sich nicht um ihre flehentlichen Bitten nach einem Gleitmittel scherte. Nie zuvor hatte sie sich so nackt gefühlt, nicht einmal im Bordell.
Kaum war Bengali zurück, eilte Dimple nach Hause. Sie lief zur nächsten Ecke und bog in die Hijde ki Gully ein, ging an der 007 vorbei und blieb stehen, als wollte sie
paan
kaufen, nur um sich zu vergewissern, dass ihr niemand folgte. Erst dann betrat sie das Gebäude. Sie aß zu Abend und wusch sich, tauschte ihren Salvar gegen einen Sari, zog sich die Lippen nach und puderte sich das Gesicht, als Xavier hereinkam. Er entschied sich für den unbequemsten Stuhl im ganzen Haus, einen pinkfarbenen Kinderplastiksessel. Lakshmi brachte ihm ein Bier, und noch ehe er daran genippt hatte, bestellte er ein zweites. Er fragte die Tai, wie viel es kosten würde, die Nacht auf einem der Zimmer zu verbringen. Mit oder ohne Mädchen, wollte die Tai wissen. Ohne, sagte er, und die Tai nannte ihm die erstbeste Zahl, die ihr in den Kopf kam: dreihundert für die Nacht. Und wie viel mit Mädchen? Die Tai sagte sechshundert. Also kostet das Zimmer genauso viel wie das Mädchen? Die Tai lachte ihn an. Er zeigte auf Dimple und sagte: Ich nehme die da, doch sagen Sie ihr, sie soll sich für mich eine Burka überziehen. Übrigens sollten all ihre Mädchen Burkas tragen, dann würden Sie mehr verdienen. Wieder lachte die Tai. Xavier sagte: Stecken Sie die Hälfte der Mädchen in Burkas und die andere Hälfte in Saris, dann werden Sie ja sehen, was Ihren Kunden lieber ist. Während dieses Wortwechsels blickte die Tai kein einziges Mal zu Dimple hinüber.
Die Tai trug ihr auf, ein Zimmer vorzubereiten. Dimple entschied sich für das am wenigsten abgeschiedene Zimmer, für das gleich am Eingang und direkt neben den Räumen der Tai. Sie legte ein frisches Laken auf und leerte den Eimer mit gebrauchten Kondomen und Zigarettenstummeln. Dann zog sie sich um, während sich Xavier weiterhin mit der Tai über Geschäftliches unterhielt, ein seltsames Gespräch, das Dimple bekümmerte, weil der Engländer konsequent von ›Eunuchen‹ redete, als wollte er sie und Frauen wie sie schlechtmachen. Kein einziges Mal benutzte er das Wort ›hijra‹. Nehmen Sie einen Eunuchen mit Penis, aber ohne Hoden, sagte er, keine allzu aufwendige Operation, wie die Tai wusste, und mit einem Minimum an Ausgaben verbunden, man nehme also einen solchen Eunuchen und, darauf kommt es nun an, vervollständige die Grundausstattung von hodenlosem Penis mit Brüsten ausgezeichneter Qualität, je größer, desto besser. Er sagte, die Tai solle in eine neue Operationstechnik investieren, die Silikon für Plastikmöpse verwende, mit denen sie einen neuen Typ Randi kreiere, Randi mit großem Busen und Showpenis. Dafür könne sie den
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