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Narcopolis

Narcopolis

Titel: Narcopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeet Thayil
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Scheibe presste. Er sah Männer auf sich zukommen, die Arme um die Schultern gelegt, und einen Mann, der auf der Straße zusammengebrochen war, die Taschen ausgestülpt; eine Schar Jungen hechelte im Takt zu einem Song im Radio, dessen Sänger einen Hund nachäffte. Eine Frau im Unterrock und mit gelber Bluse schminkte sich in einer Glasscherbe. Sie hielt den gezackten Splitter wie ein Messer. Ihre Blicke trafen sich im Spiegel, als er an ihrem Käfig vorüberging. Sie nickte ihm zu, und er trat näher. Durch die Gitterstangen fasste sie nach seinem Schwanz. Ihre Hand war klein, der Griff fest, und als sie ihn massierte, bimmelten die flaschengrünen Armreifen am Handgelenk wie kleine Glocken. Er fragte, wo man hier Alkohol kaufen könne, und sie ließ ihn los. »Kein Alkohol! Dies ist Muslimgegend, Babuji, was denkst du nur?« Als er weiterzog, ballte sie eine Hand zur Faust, umfasste den Ellbogen und deutete mit gespitzten Lippen auf seinen Schwanz. Ein Mann neben ihr im Käfig lachte. Xavier kam an einem Kino vorbei, dessen Außenwand Pissestreifen zierten. Er kaufte sich ein Ticket, und als er eintrat, begann gerade eine Songeinlage. Ein wie ein Matador gekleideter Mann drehte sich in einem gigantischen Vogelkäfig. Es war dieselbe Melodie, die er nur wenige Minuten zuvor gehört hatte, ein Lied, in dem ein Mann wie ein Hund hechelte. Der Matador zog seine Jacke aus und rief: ›Monica!‹ Xavier dachte an Heilige, und ihn überkam ein starkes Gefühl, Euphorie oder Angst, er war sich nicht sicher. Eine Frau glitt über eine Rampe auf die Tanzfläche, und eine raffinierte Kameraeinstellung zeigte sie eingerahmt von zwei Flaschen. Sie hielt sich die Flaschen ans Gesicht, und Xavier stand auf, um nach draußen ins Sonnenlicht zu gehen, sich ein Taxi zu rufen und nach Chowpatty zu fahren. Er fand einen lizenzierten Ausschank, in dem ihm die Kellnerin einen Whisky brachte und ein Bier einschenkte. Die Trinker an den zahlreichen Tischen waren fast ausnahmslos Männer. Auf einer winzigen Bühne tanzte eine Frau in einem Chiffonsari zu diffuser Musik. Er hätte nicht sagen können, ob es Jazz oder hindustanische Klassik war. Die Frau bewegte die Hüften, nicht aber ihre Füße. Sie hob die Hände und starrte zu Boden, als würde sie ausgeraubt. Ihre Miene verriet, dass sie sich an etwas Wichtiges zu erinnern versuchte, an etwas, das ihr Leben retten könnte. Die Säufer gaben ihr Geld, nur war das nicht genug, da ihr das Wichtige immer noch nicht wieder einfiel. Als das Lied zu Ende ging, senkte sie die Hände und ging von der Bühne. Jemand klatschte.
    Später am Abend kehrte Xavier zum 007 zurück und traf dort noch vor Dimple ein. Er bat die Tai, ihm dasselbe Mädchen wie am gestrigen Abend zu schicken und dass es sich auf dieselbe Weise anziehen möge; dann nahm er ein Bier mit in das Zimmer, in dem er die letzte Nacht verbracht hatte. Als Dimple kam, umgezogen und gebadet, fickte er sie im Stehen, Dimple mit den Armen auf der Liege, die Kleider über die Hüfte hochgeschoben. Später fickte er sie erneut und schrie irgendwas in einer Sprache, die niemand verstand, möglicherweise Französisch oder Italienisch, jedenfalls eine europäische Sprache, aber kein Englisch, schrie dieselben zwei Worte immer und immer wieder:
Sa Crenaam
. Die Kabinen nebenan waren besetzt, auf der einen Seite die Tai, Lakshmi auf der anderen. Da Xavier so lang brauchte, klatschte Lakshmi einen Chaka-Salut, als er endlich kam, beglückwünschte Dimple lauthals für ihr Durchhaltevermögen und Xavier für seine Technik.
    •••
    Schlagartig wurde sie mit dem Gefühl wach, etwas vergessen zu haben. Sie wusste, dass es spät war, da im großen Zimmer das Nachtlicht brannte. Sie lag allein auf der Pritsche. Dann nahm sie eine Gestalt wahr, die reglos auf dem Boden saß. Dimple machte die Lampe an und sah Xavier vollständig bekleidet mit dem Rücken an der Tür lehnen. Das Nachtlicht malte rote Schlitze in sein Gesicht, sobald er den Mund aufmachte. Sie dachte: Er sieht wie ein Wahnsinniger aus. Such dir einen Schutzheiligen, riet er mit heiserer Hundestimme. Jeder Mensch braucht mindestens einen, manche von uns auch zwei oder mehr. Ich will damit nicht sagen, dass ein Schutzheiliger dich tatsächlich beschützt, das macht er vielleicht, vor allem aber sollte es dir um seine Gesellschaft gehen, wenn auch der Seelenfrieden nicht zu verachten ist, den du ja brauchst. Schutz könnte ich ebenfalls gebrauchen, erwiderte Dimple. Dann hör genau

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