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Narcopolis

Narcopolis

Titel: Narcopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeet Thayil
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Gesicht, während sie ihren Kamiz richtete und sich über das Haar strich. Er sagte: »Ich möchte, dass du herkommst, dass du in dieses Zimmer ziehst. Ich schicke jemanden, der deine Sachen holt.«
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    Ihre Zeit im Bordell ging zu Ende, das wusste sie. Zwar wurde sie besser als manch andere Frau behandelt, bediente aber dennoch drei, vier Giraks am Tag. Sie war Ende zwanzig, fühlte sich allerdings deutlich älter. Seit über fünfzehn Jahren lebte und arbeitete sie nun in Nummer  007 . Die Jobs waren schnell getan. Die Giraks zogen sich nicht aus. Sie machten sich nur die Hose auf, waren in wenigen Augenblicken fertig und wieder verschwunden. Ihr Verlangen nach Dimple, nach Sex, war theoretisch und ohne Substanz. Es war die Vorstellung, der Gedanke an einen Eunuchen in einem schmutzigen Bordell in der Shuklaji Street, für den sie zahlten. Dimple dachte: Ihnen gefällt das Schmutzige. Nichts sonst macht ihre Schwänze so hart. Dabei halten sie sich keineswegs für homosexuell. Sie haben Frauen, Kinder und reißen ihre Witzchen über Gandus und Chakkas. Es geht ihnen allein ums Geld: Sie glauben, Eunuchen bieten mehr fürs Geld als Frauen. Eunuchen wissen besser als Randis, was Männer wollen, sie wissen, Männer mögen es schmutzig.
    Lakshmi formulierte es folgendermaßen: Was sind wir doch für Hunde, wenn wir Männer sind. Lakshmi schaffte auf der Straße an, brachte Ladenbesitzer und Fußgänger dazu, sich von ihrem Geld zu trennen, erregte ihre Aufmerksamkeit mit einem kräftigen Klatschen ihrer Männerhände. Gerade tat sie es wieder, ein Klatschen wie ein Donnerhall, das selbst Bombays lautesten Verkehrslärm übertönte. Ein Kunde im Hauptraum zuckte erschrocken zusammen. Er versuchte, von der Tai einen Preisnachlass für zwei Prostituierte zu erhandeln. Lakshmi sagte: Männer sind wie Hunde. Wir wissen das, und sie wissen das. Nur die Frauen wissen es nicht. Ist doch so, Darling, nicht, fragte sie den Kunden. Bist du nicht ein Hund, der an meinem Arsch schnüffelt und auf einen Gratisfick hofft?
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    Nachdem der Kunde gegangen war, um sich ein billigeres Bordell zu suchen, trat Dimple auf den Balkon von 007 und schaute auf die Straße, auf die Kochfeuer und das Gedränge. Dann zog sie ihre Sandalen an und ging aus. Der Paanwallah hörte AIR und lächelte, als sie in seinen Verschlag kam. Sie bestellte Calcutta-meetha und verfolgte die Zubereitung. Er lauschte einer Cricketübertragung, dem Spiel Indien gegen Westindische Inseln. Eine Weile debattierten sie über indische und westindische Schlagmänner. Die Inder seien geschickt, könnten es aber mit den Schwarzen nicht aufnehmen, behauptete der Paanwallah. Dimple fragte ihn, was er von Gavaskar hielt. Der Paanwallah erwiderte, Gavaskar sei in Ordnung, aber ihm fehle was. Er habe keinen Killerinstinkt; das sei eben das Problem mit den Indern. Dimple fragte, ob Killerinstinkt denn genüge, um jemanden zu einem guten Spieler zu machen, doch der Paanwallah lachte nur und sagte, er wisse, worauf sie hinauswolle, nur sei er selbst lang genug dabei gewesen und kenne sich ein wenig aus. Dimple sagte, sie vertreibe sich doch bloß die Zeit, und fragte dann, ob er genug Supari ins Calcutta getan habe. Der Paanwallah erwiderte, es sei genug Supari drin, um ein Pferd ausschlagen zu lassen, und fuhr fort, sie dürfe gern wiederkommen, wenn sie nicht zufrieden sei; sie bekäme dann auch das nächste Paan umsonst. Er sagte, Gavaskar sei ein guter Mann mit feiner Technik, nur stachle ihn der Geschmack von Blut nicht an. Die Inder seien eben zu sanft, sagte der Paanwallah, und das sei Gandhis Schuld. Der alte Mann hätte ein Volk blutrünstiger Krieger die Gewaltlosigkeit gelehrt und es in Heilige und Grasfresser verwandelt. Dimple lachte. Sie sagte, er solle sich nur umschauen. Die Inder seien so gewalttätig und blutdurstig wie eh und je und würden jeden Vorwand nutzen, um sich gegenseitig in Stücke zu hacken, zu verbrennen oder die Augen auszukratzen. Da musste der Paanwallah ebenfalls lachen. Als Dimple wieder auf ihrem Zimmer war, kaute sie das Paan und beobachtete sich dabei im Handspiegel, der an einem Nagel über dem Waschbecken hing. Sie sah, wie sich ihre Lippen bewegten, prüfte Augen, Haut und Haar und kam zu der kritischen Einschätzung: gar nicht übel. Je älter sie wurde, desto schwerer fiel es ihr, gut auszusehen. Je schwieriger es wurde, desto mehr rauchte sie. Und je mehr sie rauchte, desto schwieriger wurde es. Sie dachte: Wenn ich

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