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Narcopolis

Narcopolis

Titel: Narcopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeet Thayil
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besser als zuvor. Ein großgewachsener Australier tauchte auf. Er rauchte den ganzen Tag, fertigte Skizzen in seinem kleinen Notizbuch an und gab viel Geld aus. Er war sehr großzügig und spendierte freigiebig Pyalis. Am nächsten Tag kam er zurück, auch am übernächsten; eine Woche lang war er Stammgast in der Khana. Er redete meist mit den Händen, da ihn niemand verstand, obwohl er Englisch sprach. Monate später, nachdem er längst verschwunden und zurück nach Sydney oder Melbourne gekehrt war, hieß es, er sei ein berühmter Musiker, dessen Lieder überall im Westen im Radio gespielt würden; außerdem hätte er einen Song über seine Zeit bei Rashid geschrieben, in dem die Rede davon war, ›in einer Höhle in Bombay‹ zu liegen, aber das mochte auch Zufall gewesen sein. Dann schaute der Sohn eines berühmten Regisseurs vorbei. Er drehte seinen ersten Film und wollte für eine bestimmte Szene die Atmosphäre in einer Opiumhöhle möglichst wirklichkeitsgetreu einfangen. Er saß am Eingang neben dem Waschbereich, mochte aber keine Pfeife probieren und warf mit den Namen von Schauspielern und Regisseuren nur so um sich, alles enge Freunde der Familie, zumindest behauptete er das. Das Geschwätz kümmerte Rashid kaum, aber sein Lachen ärgerte ihn, ein schrilles Lachen, das nach Wahnsinn schmeckte. Der Mann trug einen Strohhut, den er sich in den Schoß legte; er machte sich Notizen, und er machte ein Foto von Dimple, das viele Jahre später in einem Buch über Bombays Opiumhöhlen erscheinen sollte (auf dem Bild ist eine junge Frau zu sehen, die mit konzentrierter Miene eine Pfeife an die Lampe hält; in einer Bildecke ist ein Buch zu erkennen, der Titel teilweise verdeckt). Nach langem Zaudern war der Mann bereit, eine Pyali zu probieren, rauchte sie halb und stürzte dann die Treppe hinab, um sich zu übergeben. Mehr als alles andere aber blieb seine Rauchtechnik in Erinnerung. Er wischte das Mundstück mit einem Dettol-getränkten Taschentuch ab, wischte gründlich und nach jedem Zug, so dass die Pfeife noch tagelang nach Desinfektionsmittel schmeckte. Als er von der Toilette zurückkehrte, fragte er, ob er noch ein paar Fotos schießen dürfe, und Rashid erwiderte, aber ja, natürlich, allerdings müsse er, Rashid, dem Sohn des Regisseurs dann die Beine brechen und die Hände abhacken, um sicherzugehen, dass er die Khana nie wieder verlasse, eine Antwort, die Rashid lächelnd vorbrachte, so, als würde er einen Witz erzählen.
    •••
    Dimples Tai, die Bordellmutter, kam auf einen offiziellen Besuch zu Rashid. Sie brachte jede Menge Klagen vor und jammerte, Dimple verbringe zu viel Zeit in der Khana, sei jetzt völlig den Drogen verfallen und verdiene nicht länger ihren Lebensunterhalt. Die anderen Mädchen brächten mehr Geld ein, sagte die Tai, und richtete sich dabei allein an Rashid. Während ihres ganzen Besuches sahen sie und Dimple sich nicht einmal an und wechselten kein Wort. Dimple bereitete Rashids Pfeife vor, wie sie es immer tat, ruhig und stumm, mit sicherer Hand, während die Tai Tee trank, ihre Rede vorbrachte und wieder ging. An diesem Nachmittag führte Rashid Dimple in ein Zimmer auf halber Treppe zwischen Khana und dem ersten Stock, in dem seine Familie wohnte. Drinnen standen eine Holzpritsche, ein Stuhl und ein Waschtisch; vor dem Fenster hing ein dreckiger Vorhang. Sie wusste, was er wollte, zog ihren Salvar aus und hängte ihn sorgsam gefaltet über die Rückenlehne des Stuhls. Dann legte sie sich auf die Pritsche und zog den Kamiz bis zu den Schultern hoch, zeigte ihm ihre Brüste. Die Beine waren gespreizt, die rifflige Haut gedehnt wie der Schemen einer Vagina.
    Er sagte: Du bist wie eine Frau. Sie sagte: Ich bin eine Frau, sieh selbst. Sie wollte ihn nicht auf sich, er war für ihren Rücken zu schwer. Sie sagte, er solle sich auf die Pritsche setzen, und sie hockte sich über ihn, das Gesicht ihm zugewandt, die Arme um den Nacken, die Füße um die Hüften geschlungen. Es dauerte lang, die Droge wirkte gegen sein Blut, doch hörte sie nicht auf, bis er kam, zitternd vor Anstrengung, die Hände auf die Pritsche gestützt, sein Blick in ihren Augen versunken.
    Er sagte: »Was ist mit dir? Was fühlst du dabei?«
    »Mir geht es gut.«
    »Nein, ich will wissen, ob du Lust dabei empfindest.«
    »Nicht so wie du und nicht wie eine Frau.«
    »Du fühlst gar nichts.«
    »Ach, bilkul, natürlich. Ich fühle Lust, aber keine, wie sagt man, keine Erleichterung.«
    Er musterte ihr

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